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Trumps gefährlichste Waffe ist nicht die Atombombe

A street performer dressed as the Statue of Liberty holds up a picture of U.S. President-elect Donald Trump in Hong Kong's downtown, Wednesday, Nov. 9, 2016. Around the world, people reacted with ...
Missbraucht der neue US-Präsident seine Macht, um sich an Gegnern zu rächen?Bild: Kin Cheung/AP/KEYSTONE
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Trumps gefährlichste Waffe ist nicht die Atombombe

Auch wenn der neue US-Präsident ein rachsüchtiger Egomane ist, wird er nicht so wahnsinnig sein und den roten Knopf drücken. Muss er auch nicht. Für den Anfang genügen Apple, Google, Facebook und Co.
14.11.2016, 17:5215.11.2016, 10:11
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Wie bekämpft Donald Trump die globale Erwärmung?

Antwort: Mit einem nuklearen Winter.

Nachdem wir über solche Witze nicht mehr lachen können, ist es an der Zeit, über die gefährlichste Waffe des neuen US-Präsidenten zu reden. Ab dem 20. Januar gebietet Trump nicht nur über Atombomben, die alles Leben auf dem blauen Planeten auslöschen können. Er hat auch Zugriff auf den mächtigsten Überwachungsapparat der Welt. Oder wie es der Journalist Micah Lee von The Intercept ausdrückt:

«Nach 16 Jahren unerbittlicher und illegaler Erweiterung der Exekutivgewalt unter den Präsidenten Bush und Obama hat Trump mehr Überwachungs-Tools zur Hand, als jemals irgend ein Tyrann hatte. »

Folgt auf den totalen Krieg die totale Überwachung?

Trump wäre jedenfalls ein Dummkopf, wenn er die unter seinen Amtsvorgängern aufgebaute Überwachungs- und Spionage-Maschinerie nicht für eigene Zwecke nutzen würde.

Dass sich der 70-Jährige nur von hehren Zielen der guten Staatsführung leiten lässt, muss bezweifelt werden. Trump gilt als rachsüchtig. Im Wahlkampf hat er politischen Gegnerinnen und missliebigen Journalisten unverhohlen gedroht. Und er will erklärtermassen gegen Minderheiten vorgehen, die bei Teilen seiner Wählerschaft verhasst sind. Führt das FBI schon bald Gewissensprüfungen für moslemische Bürger durch?

Wir werden überwacht – und bezahlen dafür

Dank Edward Snowden wissen wir, dass die NSA auf Geheiss des US-Präsidenten weltweit Personen und Organisationen anzapft, um sensible Informationen zu beschaffen.

Eine besondere Rolle kommt den grossen Tech-Unternehmen zu, allen voran Apple, Google, Microsoft und Facebook. Sie betreiben die Internet-Plattformen, über die sich täglich Hunderte Millionen, ja, Milliarden User austauschen. Aber auch die Rechenzentren von Amazon sind im Visier.

Dank der integrierten Sensoren, kombiniert mit laschem Datenschutz, sind Smartphones, Tablets und Notebooks die perfekten Überwachungs-Tools. Und die Plattform-Betreiber haben ein ureigenes Interesse, möglichst viele Daten über die Nutzerinnen und Nutzer zu sammeln und zwecks weiterer Auswertung zu speichern. Sei dies, um Kunden mit personalisierter Werbung zu «bedienen», oder auch nur, um die eigenen Dienste und Produkte zu «optimieren».

  • Telefongespräche
  • Aufenthaltsorte
  • Gesuchte Web-Inhalte
  • E-Mails
  • Kreditkarten-Käufe
  • Uber-Routen

You name it!

Nicht auszumalen, was passiert, wenn die auf Firmen-Servern verarbeiteten und in den Rechenzentren gespeicherten Nutzerdaten in falsche Hände geraten.

Einer schlägt Alarm

Maciej Ceglowski, CEO von Pinboard (Werbeslogan: «Social Bookmarking»), ein kritischer Wirtschaftsvertreter aus dem Silicon Valley, sieht sich veranlasst, Alarm zu schlagen. Er appelliert an das Verantwortungsgefühl der Techies.

Es gelte nun die Menschen vor dem Überwachungs-Apparat zu schützen, den man um sie herum errichtet habe.

Die Verantwortlichen sollten besser einen Plan haben, um gewappnet zu sein für drohende Szenarien ...

Zu den gefährdeten Gruppierungen gehören Muslime, wie wir seit Trumps islamfeindlichen Äusserungen im Wahlkampf wissen. Zunächst forderte er ein totales Einreiseverbot und krebste zwar später zurück. Doch es bleiben Ängste, wonach die Menschen aufgrund von Rasse oder Religion benachteiligt werden.

Der Pinboard-CEO rät Internet-Unternehmen jedenfalls, sie sollten keine Standort-Daten von muslimischen Nutzern speichern, weil sie in falsche Hände fallen könnten.

Generell rät der Pinboard-CEO den Unternehmen, sie sollten möglichst wenig «verräterische» Nutzerdaten sammeln.

Gemäss seiner Einschätzung sind Google, Apple und Facebook nicht vorbereitet auf eine Serie von Bedrohungen ...

Hier bleibt anzumerken, dass die Tech-Titanen nur zögerlich eine komplette Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einführen. Bei Google und Facebook hängt dies direkt mit dem Geschäftsmodell zusammen: Beide Unternehmen versuchen möglichst viele werberelevante Nutzerdaten zu sammeln. Aber auch Apple hat es bislang nicht geschafft, die NSA auszusperren. So sind etwa weiterhin Zugriffe auf die iCloud-Backup-Server möglich. Und schliesslich sind auch die Metadaten problematisch, weil solche Daten den Schnüfflern ebenfalls sehr viel preisgeben.

Sicher ist: Die Zeit wird knapp für die Tech-Unternehmen, um die eigenen Dienste für das aufziehende Trump-Zeitalter zu wappnen. Am 20. Januar ist Amtsübergabe.

Immerhin gibt es auch zuversichtliche Stimmen, die sagen, Apple und Co. würden es noch in nützlicher Frist schaffen. So zum Beispiel einer der Gründer des US-Portals Ars Technica.

«Ich glaube, dass die Ingenieure, die das Monster geschaffen haben, es auch zähmen können. Das schulden sie uns.»
Jon Stoke, Mitgründer von Ars Technicaquelle: techcrunch

Fingerabdruck-Scanner sind riskant!

Gefordert sind aber auch erneut die Nutzerinnen und Nutzer. Besorgte Bürger, Menschenrechts-Aktivisten und andere Trump-Kritiker sollten die seit den Snowden-Enthüllungen bekannten Vorsichtsmassnahmen im Alltag beherzigen.

Micah Lee von The Intercept fasst zusammen:

  • Das Smartphone mit einem mindestens sechsstelligen Passwort schützen. Je länger, desto besser.
  • Bei iPhones ist dann die Datenverschlüsselung standardmässig aktiviert, bei den meisten Android-Geräten muss man sie über die System-Einstellungen einschalten.
  • Wer in die USA reist, sollte auf die Verwendung von TouchID beim iPhone verzichten. Grundsätzlich sollte man Mobilgeräte nicht per Fingerabdruck freischalten, weil dies von Strafermittlern erzwungen werden könnte.
  • Abhörsichere Gruppen-Chats verwenden, wie zum Beispiel Signal. Oder auch die Schweizer App Threema.
  • Das Mobilgerät bei heiklen Treffen nicht mitnehmen.
  • Den Tor-Browser in Kombination mit weiteren Vorsichtsmassnahmen verwenden, um anonym zu surfen.
  • Computer-Festplatten verschlüsseln.
  • Aktivisten sollten das Open-Source-Betriebssystem Qubes in Betracht ziehen. Es wird von Snowden empfohlen.

Threema – der sichere Smartphone-Messenger aus der Schweiz 

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Threema – der sichere Smartphone-Messenger aus der Schweiz (26.8.2016)
Threema ist eine benutzerfreundliche Messenger-App aus der Schweiz, die praktisch abhörsicheres Chatten per Smartphone und Tablet ermöglicht.
quelle: getty images europe / joerg koch
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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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StefanZaugg
14.11.2016 19:34registriert September 2015
Frage an Watson: Ihr legt auf editorialer Seite (berechtigterweise) grossen Wert auf die Überwachungsthematik (Tracking, gläserner User etc.), was schon im Vorfeld der NDB-Abstimmung sehr auffällig war. Eure Website hingegen ist nicht mal SSL verschlüsselt und ein kurzer Blick auf den HTML-Source-Code offenbart, dass der Watson-Besuch von Google, Twitter, Facebook, Adition.com, Maxcdn.com getrackt wird.

Da wird auf der Redaktion schon ein bisschen viel Wein getrunken, beim Wasser predigen.
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Raphael Stein
14.11.2016 18:05registriert Dezember 2015
Wunderbar.
"Trump wäre jedenfalls ein Dummkopf, wenn er die unter seinen Amtsvorgängern aufgebaute Überwachungs- und Spionage-Maschinerie nicht für eigene Zwecke nutzen würde. "

Zu diesem Tool haben wir lustigen Schweizer doch gerade den Zettel mit JA ICH WILL, in die Urne reingesteckt.
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pamayer
14.11.2016 18:12registriert Januar 2016
Die Geister, die wir rufen...

Isch schon so: wir sind sehr gläsern geworden. Und haben das neue Nachrichtengesetz angenommen.

George Orwell lässt grüssen. Aktueller denn je.
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