Digital
International

Was Bill Gates mit dem (tödlichen) Coronavirus zu tun hat

A passenger from Beijing is screened as part of measures to prevent coronavirus infection at Hazrat Shahjalal International airport in Dhaka, Bangladesh, Wednesday, Jan.29, 2020. (AP Photo/Al-emrun Ga ...
Passagier-Screening auf dem internationalen Flughafen in Dhaka, Bangladesh. Die Gerüchte rund um die neue Lungenkrankheit reissen nicht ab. Bild: AP
Analyse

Was Bill Gates mit dem (tödlichen) Coronavirus zu tun hat

Monate vor dem Ausbruch von nCoV-2019 fand in New York eine Katastrophenübung zu einer globalen Pandemie statt. Hier sind die Fakten.
30.01.2020, 11:5006.02.2020, 12:35
Mehr «Digital»

Die Aluhüte sind unter uns.

Und sie erleben in diesen Tagen eine explosionsartige Verbreitung ihrer Verschwörungstheorien.

Bevorzugte Kanäle sind die «unsozialen» Plattformen Facebook, Instagram, Twitter und YouTube. Es passiert aber auch über angeblich journalistische Medien.

Ein aktuelles Beispiel:

Bild
screenshot: inside-paradeplatz.ch

Lukas Hässig ist ein preisgekrönter Wirtschaftsjournalist und Betreiber des Finanzblogs Inside Paradeplatz, der immer wieder mit knallharten Berichten und Enthüllungen rund um den Schweizer Finanzplatz aufwartet. Doch in diesem speziellen Fall bot er Hand zu abstrusen Spekulationen.

«Stammt Corona-Virus aus Wuhan-Waffenlabor?»

Gegenfrage: Meint das die Verfasserin, die sich als «Ingenieurin mit Spezialgebiet Energie» bezeichnet, ernst?

Ich möchte nicht im Detail auf das konstruierte Weltuntergangs-Szenario eingehen, sondern einen Abschnitt zitieren, der zeigt, wie Fakten und Fiktion vermischt werden, um zusätzliche Spannung und Dramatik zu erzeugen.

Die Autorin schreibt:

«Der Ausbruch des Coronavirus hat die Welt überrascht, ausser die Stiftung von Melinda und Bill Gates sowie die WEF-Stiftung, welche die Simulation einer globalen Pandemie durch das renommierte John Hopkings Institute for Medical Safety finanzierten, die mit dem Namen Event201 im Oktober 2019 publiziert wurde.»

Abgesehen davon, dass der Name der renommierten Forschungseinrichtung falsch geschrieben wurde (es muss richtigerweise Johns Hopkins heissen), halten wir fest:

Der Ausbruch der neuartigen Lungenkrankheit – auch als nCoV-2019 bezeichnet – hat unzählige Experten rund um den Globus ganz sicher nicht überrascht. Bill Gates warnt seit Jahren vor dem Ausbruch einer gefährlichen Krankheit, die wegen schlechter Vorbereitung Teile der Erdbevölkerung dahinraffen könnte. Und er triggert mit Sicherheit auch den letzten Verschwörungstheoretiker und Impfgegner.

Dass der Microsoft-Gründer in Zusammenhang mit dem bislang vor allem in China grassierenden neuen Coronavirus genannt wird, ist kein Zufall, wie wir gleich sehen. Doch zunächst gilt es auf Gerüchte bei Facebook und Co. einzugehen.

Bösartige, unhaltbare Gerüchte

Via Facebook und Twitter verbreitet sich seit Tagen (in der Regel) unwidersprochen die Behauptung, Gates profitiere über seine private Stiftung vom todbringenden Virus. Und besonders schlimm: Der Erreger sei vor Jahren patentiert worden und dann wohl aus einem Labor entwichen.

An dieser Stelle möchte ich mimikama.at (siehe Quellen) zitieren, das den bösartigen Hoax enttarnt hat:

«Die Behauptung, der Coronavirus wäre im Labor entwickelt worden, weil auf Google ein Patent entdeckt wurde, beruht auf reiner Unwissenheit und falschen Schlussfolgerungen.»
quelle: mimikama.at

Und factcheck.org hält fest, dass die Sensations-Geschichte über zwei chinesische Spione, die angeblich das Coronavirus aus einem kanadischen Forschungslabor stahlen und nach Wuhan schmuggelten, nicht der Wahrheit entspreche.

Tatsächlich hat das im Inside-Paradeplatz-Beitrag zitierte kanadische Medienunternehmen CBC News am Mittwoch klargestellt, dass ein eigener Bericht verzerrt dargestellt worden sei, um eine Verschwörungstheorie zu schaffen.

Bild
screenshot: cbc.ca

Damit zu den Fakten ...

Echtes Horrorszenario, echter Virus

Am 19. Oktober 2019 fand unter dem Titel «Event 201» in New York eine ungewöhnliche öffentliche Veranstaltung statt: eine Katastrophenübung zum Thema Pandemie, also dem weltweiten Ausbruch einer ansteckenden Krankheit.

Wobei die Übung nicht in Schutzanzügen stattfand, sondern Anzug und Krawatte: Auf Einladung des Johns Hopkins Center for Health Security versammelten sich Experten und Wirtschaftsführer und diskutierten, was zu tun sei, um eine gefährlichen Infektionskrankheit zu bekämpfen.

Als Mitveranstalter amteten das Weltwirtschaftsforum WEF und die Bill and Melinda Gates Foundation, was die erwähnten Gerüchte natürlich richtig anheizte.

Die Übung veranschaulichte laut Beschrieb auf der offiziellen Website diejenigen Bereiche, «in denen öffentlich-private Partnerschaften während der Reaktion auf eine schwere Pandemie notwendig sind, um gross angelegte wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen zu mindern.»

Denn die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik wissen längst, dass eine Pandemie die Welt an den Rand einer Wirtschaftkrise bringen kann. Oder darüber hinaus.

Event 201 basierte, wie hinlänglich betont, auf einer Simulation. Renommierte Experten erdachten sich am Schreibtisch den Verlauf einer verheerenden Katastrophe. Dafür erfanden sie ein tödliches Coronavirus, das nicht mit nCoV-2019 verwechselt werden darf, wie die Verantwortlichen in einer am Mittwoch veröffentlichten Klarstellung betonten.

«Wir sagen jetzt nicht voraus, dass der Ausbruch von nCoV-2019 65 Millionen Menschen töten wird.»
Aktuelle Stellungnahme
des Center for Health Security

Das reale Coronavirus, das in China grassiert, ist im Vergleich zum erfundenen Coronavirus (aus der Pandemie-Übung) harmlos, es wird aber ebenfalls durch Flugreisende auf andere Kontinente transportiert, wie die aktuellen Krankheitsfälle zeigen. Und es ist nicht auszuschliessen, dass das Virus durch erneute Mutationen gefährlicher wird. Je länger ein Erreger kursiert, desto eher verändert er seine Gen-Struktur. Mögliche Folgen solcher Veränderungen sind nicht absehbar.

Was du tun solltest

Halten wir das Wichtigste fest: Es braucht zurzeit keine Verschwörungstheorien, um zu erkennen, dass die Lage ernst ist. Viel zu ernst für falsche Panikmache.

Angesichts der angespannten Situation in China gilt es kühlen Kopf zu bewahren und die grundlegenden Verhaltensregeln rund um Facebook und Co. in Erinnerung zu rufen. Verzichte auf das Teilen von ungeprüften Informationen. Halte dich besser an journalistisch arbeitende Medien, denn genau das kann und will der Facebook-Konzern nicht bieten.

PS: Wer sich für die Mechanismen hinter der zum Teil übertriebenen Berichterstattung und den Reaktionen bei Social Media interessiert, sollte Sascha Lobos Kolumne bei Spiegel Online lesen. Titel: Der coronavirale Angststurm.

So gefährlich ist das neuen Coronavirus wirklich:

Quellen

Das Szenario der Katastrophen-Übung «Event 201» im Video (wichtig: Hierbei handelt es sich um einen erfundenen Erreger, der nicht existiert!)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das Coronavirus verbreitet sich
1 / 14
Das Coronavirus verbreitet sich
Weltweit gibt es inzwischen rund 34 000 bestätigte Coronavirus-Infektionsfälle – Tendenz stark steigend.
quelle: epa / yonhap
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Schweizerin berichtet aus der Virus-Quarantäne
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
86 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Jaran Jarani
30.01.2020 12:06registriert Dezember 2019
Seit dem Tod von Jeffery Epstein mache ich mich nicht mehr über Verschwörungstheoretiker lustig.
35195
Melden
Zum Kommentar
avatar
Noob
30.01.2020 12:38registriert Januar 2015
Chilleds mal...
Was Bill Gates mit dem (tödlichen) Coronavirus zu tun hat
Chilleds mal...
1767
Melden
Zum Kommentar
avatar
Toni.Stark
30.01.2020 13:57registriert Juli 2018
Ich finde es viel bedenklicher, dass noch niemand den naheliegenden Zusammenhang zwischen dem Virus und Corona-Bier aufgedeckt hat! Hier müssen doch die Bierbrauer im Spiel sein! Skandalös!
7215
Melden
Zum Kommentar
86
In Luzerner Kantonsspital kursiert «Mimimi-Formular» – Belegschaft «verletzt und empört»

«Wir sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Luzerner Kantonsspital (LUKS) und schreiben Ihnen diesen Brief, um Ihnen ein schwerwiegendes Problem in unserem Unternehmen aufzuzeigen» – so beginnt ein anonymes Schreiben, das die watson-Redaktion diese Woche erhalten hat.

Zur Story