Volkswagen erhöht inmitten der Corona-Krise und der konjunkturellen Unsicherheit das Tempo beim Wechsel in die Elektromobilität. In den kommenden fünf Jahren (2021-2025) will der weltgrösste Autobauer 73 Milliarden Euro in klimaschonende Antriebe und die Digitalisierung stecken und damit fast jeden zweiten Euro seines gesamten Investitionsbudgets in diesem Zeitraum. Das hat der Aufsichtsrat beschlossen.
Allein 35 Milliarden Euro fliessen in die Elektromobilität. Elf Milliarden gehen in die Hybridisierung des Modellportfolios. Ein weiterer grosser Brocken ist die Digitalisierung, hier verdoppelt Volkswagen die Ausgaben auf rund 27 Milliarden Euro.
VW entwickelt beispielsweise das neue Auto-Betriebssystem VW.OS intern in einer neuen Geschäftseinheit, der zunächst 3000 Digitalexperten angehören. Bis 2025 werden mehr als 10'000 Beschäftigte in der Software-Entwicklung angepeilt. Das Betriebssystem wird künftig in Fahrzeugen aller Marken des VW-Konzerns eingesetzt. Ein Teil des VW.OS soll Open Source werden. Das Ziel: Den Anteil an eigener Software von derzeit 10 Prozent deutlich auf über 60 Prozent zu steigern.
Zum Software-Bereich gehört auch die Entwicklung des autonomen Fahrens. VW kooperiert dabei mit der US-Firma Argo, die auf autonomes Fahren spezialisiert ist. Hinter Argo steckt Bryan Salesky, ein Pionier in der Entwicklung autonomer Autos.
Volkswagen-Chef Herbert Diess betont immer wieder, dass für den Konzern künftig Batterie-E-Mobilität Vorrang hat. Die beschlossen Investitionen unterstreichen dies.
Das Geld für die Investitionen will VW weiter sowohl durch den Mittelzufluss aus dem laufenden Geschäft, zunächst also vor allem durch den Verkauf von Verbrennern, als auch durch Einsparungen selbst erarbeiten. Ausserdem werden wenig gefragte Fahrzeugvarianten aus dem Angebot gestrichen. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sagte, der Konzern sei gut aufgestellt, um dieses Riesenpaket zu stemmen: «Die finanzielle Ausgangsbasis ist vor dem Hintergrund der grossen Herausforderungen in den nächsten Jahren grundsolide», erklärte er.
Der elektrische Hoffnungsträger ID.3 ist bei den ersten Kunden und seit September 2020 kann auch das Anschlussmodell ID.4 vorbestellt werden. Die Auslieferung soll vor Ende 2020 beginnen. Der kompakte SUV ist der nächste Vertreter einer Reihe, die den Konzern in den kommenden Jahren neu ausrichten soll. Die CO2-Bilanz der reinen E-Fahrzeuge soll jeweils neutral sein.
Die Produktion des ID.4 ist Ende August im Werk Zwickau angelaufen. Der Elektro-SUV solle «die E-Mobilität aus der Nische ins Volumen holen». Das Auto basiert wie der kleinere ID.3 auf VWs modularen Elektrobaukasten (MEB). Die Plattform soll einheitliche Technik für verschiedene Modelle liefern und durch die Verwendung gleicher Teile in grossen Mengen zudem Kosten sparen.
Das Zwickauer Werk spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Fabrik wird bis zum Ende dieses Jahres auf ausschliessliche Fertigung von E-Autos umgestellt, viele Beschäftigte wurden umgeschult und bildeten sich fort. Nach und nach kommen weitere Standorte dazu, von 2022 an Emden und Hannover. Auch in den USA und in China ist eine ID.4-Fertigung geplant.
Neben dem VW ID.3, ID.4, Audi Q4 e-tron und Porsche Taycan gehören zur E-Offensive der Elektro-Bulli ID.Buzz, der Skoda Enyaq oder der Seat Cupra el-Born. Bis 2024 sind etwa 35 Modelle auf Basis des Elektro-Baukastens geplant. Bis 2025 soll bereits ein Fünftel aller Auslieferungen im Konzern auf batterieelektrische Modelle entfallen.
Volkswagen plant so hohe Investitionen ein, weil wegen des «Green Deal» der EU erneut schärfere Klimavorgaben und damit auch strengere CO2-Grenzwerte für die Autobranche erwartet werden. Für Volkswagen bedeutet das, dass in zehn Jahren die Hälfte der neu zugelassenen Autos elektrisch angetrieben sein muss.
Die Niedersachsen setzen seit dem Dieselskandal vor fünf Jahren voll auf E-Mobilität und haben mit dem ID.3 vor Kurzem ihr erstes elektrisches Auto auf den Markt gebracht, das von Grund auf als E-Auto konzipiert wurde. Der ID.3 hat daher eine deutlich bessere Reichweite als der e-Golf, der seit 2014 verkauft wird. In den nächsten Jahren will Volkswagen zum grössten Anbieter auf diesem Gebiet aufsteigen und an dem US-Elektroautopionier Tesla vorbeiziehen.
(sda/awp/reu)
Was ist "Digitalisierung"? Welcher analoge Prozess wird digital gemacht? Produktionprozesse? Kundendatenanalyse? Neue (Betrugs-)Software im Auto? Entwicklungsabläufe?
Hinter dem Schlagwort Digitalisierung könnte alles stecken. Ohne eine konkretere Ankündigung ist die Aussage fast nichts wert.
Besser spät als nie...
Ob "zu spät" wird die Geschichte weisen müssen. Es wird jedenfalls unglaublich schwer, den Vorsprung von Tesla bezüglich Software / autonomes Fahren aufzuholen.