Digital
Analyse

Falt-Handys bringen nichts und sind keine sinnvolle Innovation

Motorola representative Nazee Hoglund from Liberty, Ill., holds a new Motorola RAZR V3i, at the Motorola booth Saturday, Jan. 7, 2006, at the International Consumer Electronics Show, CES, in Las Vegas ...
Es gab eine Zeit, da machten aufklappbare Mobilgeräte Sinn.archivBild: AP
Analyse

Ein faltbares iPhone? Diese Dummheit sollte Apple nicht machen!

Die Zeit der Klapphandys haben wir – Steve Jobs sei Dank – hinter uns. Angesichts der jüngsten Hardware-Neuerungen bei Samsung, Huawei und Co. ist zu hoffen, dass der iPhone-Hersteller nicht einklappt. Eine Polemik.
16.03.2019, 18:1918.12.2019, 09:38
Mehr «Digital»

Wie 99,9 Prozent der Menschheit habe ich noch kein Falt-Handy in Händen gehalten. Oder müssten wir nicht eher von Tablets mit zusammenfaltbarem Bildschirm reden?

In diesem Rant Meinungsbeitrag begründe ich meine grundsätzlich skeptische Haltung zu dem, was Kollegen der schreibenden Zunft bereits als echte Innovation anpreisen.

Im Folgenden lege ich in 7 Punkten dar, warum die neuen «Foldables» floppen werden und der iPhone-Hersteller nicht auf den anrollenden Hype-Zug aufspringen sollte.

Ich entschuldige mich schon jetzt, falls ich mit dem etwas «zugespitzten» Titel deine Gefühle verletzt haben sollte. Und hoffe trotzdem auf eine gesittete Diskussion! 😉

Warme Luft

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Bei gewissen Instrumenten Geräten machen Falten durchaus Sinn.

Bild

Smartphones gehören nicht in diese Kategorie.

Stell dir ein Gerät mit Scharnier vor – und eines ohne. Welches ist weniger fehleranfällig und wird länger halten?

Einfach ist besser

2007 läutete Apple das moderne Smartphone-Zeitalter ein. Der für viele Beobachter unerwartete wirtschaftliche Erfolg des iPhones stellte sich dank mehrere Faktoren ein. Kompliziertes (Hardware-)Design gehörte nicht dazu. Im Gegenteil. Unter dem visionären Steve Jobs mussten die Erfinder, Ingenieure und Entwickler um jedes noch so vielversprechende Extra kämpfen: Weniger war mehr.

Vom Apple-Gründer ist das Zitat überliefert:

«Ich bin genau so stolz auf die Dinge, die wir nicht gemacht haben, wie auf die Dinge, die wir gemacht haben. Innovation heisst, zu 1000 Dingen Nein zu sagen.»
Apple Flip Phone (1983). Die Hintergründe zum Prototypen gibts in dieser Story.
Apple Flip Phone (1983). Die Hintergründe zum Prototypen gibts in dieser Story.

Horror-Preise helfen nicht gegen sinkende Kauflust

Ob von Samsung oder Huawei: Falt-Smartphones werden mit Preisen über 2000 Franken viel zu teuer sein.

Die meisten Leute (mich eingeschlossen) finden technische Neuerungen zwar spannend und interessant, verlassen sich aber im Alltag auf Bewährtes. Und dermassen viel für ein «Handy» bezahlen will kein normaler Mensch.

Die obszöne Preisgestaltung sei ein Zeichen, dass die Zeit für die Falt-Display-Technologie noch nicht gekommen sei, kommentierte Extreme Tech. Diesem Urteil schliesse ich mich zu 100 Prozent an. Und doch werden uns die Hersteller schon die erste Geräte-Generation regelrecht aufdrängen, so als handle es sich um «das nächste grosse Ding».

Fakt ist:

  • Die Smartphone-Verkaufszahlen sind in vielen Märkten weltweit rückläufig und werden es bleiben.
  • Die User behalten ihre immer wertvolleren teureren Mobilgeräte länger – und können sie dank verbesserter Update-Politik viele Jahre lang sicher verwenden.
  • Das mag die Hersteller schmerzen, doch profitiert die Umwelt. Der Klimawandel lässt grüssen.

Bis faltbare Bildschirme massentauglich werden, wird noch sehr viel Zeit verstreichen. In den kommenden Jahren bleiben Foldables Nischenprodukte mit fragwürdigem Nutzen – und ein belächeltes Spielzeug für Reiche und Protzer.

Einen Falt-Laptop hat er schon ...
Einen Falt-Laptop hat er schon ...bild: shutterstock

Keine faulen Kompromisse

Bislang gibts Notebooks, Smartphones, Tablets und Hybridgeräte. Letztere halte ich für absolut unnötig. Wer Tag für Tag mit einer bestimmten Gerätekategorie arbeitet bzw. «aus Gründen» darauf angewiesen ist, will keine Kompromisse eingehen. Schon gar keine faulen.

Wer unterwegs ein Mobilgerät mit grossem Touch-Screen braucht, greift auch weiterhin zum Tablet oder Notebook. Apple verdient in beiden Kategorien am meisten Geld. Grund: Die iPads und Macbooks sind am besten auf die Bedürfnisse der mobilen Kundschaft zugeschnitten und halten sie mit hoher Benutzerfreundlichkeit bei der Stange.

Bei Falt-Handys stellt sich die Frage, wie häufig man das unhandliche Teil im (Pendler-)Alltag aufklappt. In den meisten Fällen dürfte das Smartphone-Display genügen – und diese Geräte sind kompakter, leichter und bezahlbar.

Für Android-Tablets sind gute Apps noch immer Mangelware. Das Angebot an massgeschneiderten Anwendungen im Play-Store wird sich durch neue Display-Formate nicht erhöhen. Auch wenn Google mit Anpassungen am mobilen Betriebssystem die technischen Voraussetzungen schafft.

Das auffaltbare Display ist nicht wirklich videotauglich. Punkt.
Das auffaltbare Display ist nicht wirklich videotauglich. Punkt.bild: watson

Was mich als Film- und Serienfan zweifeln lässt: Was soll ein grösserer, aber quadratischer Falt-Handy-Bildschirm bei Inhalten im gängigen Kinoformat (16:9) bringen? Auf grossen Smartphones kann man heute schon gut Videos gucken. Wer mehr will, greift besser zu Laptop oder Tablet.

Meine Prognose: Für Dreiviertel der Leute wird weiterhin ein Smartphone genügen, der Rest greift auch unterwegs zum besser geeigneten Zweitgerät (Tablet, Notebook).

Plastik ist unsexy

Glas ist das beste Material für hochwertige Displays. Doch kann man das Material weder knicken noch falten.

Falt-Smartphones bestehen darum auf absehbare Zeit aus Kunststoff. Und das bringt gewichtige Nachteile.

Ein Reddit-User, der das faltbare Huawei-Smartphone unter die Lupe nahm, schreibt: «Der Bildschirm des Mate X hat Wellen. Es sieht aus wie eine offene DVD-Hülle».

Selbst wenn die Plastikdisplays nach tausendfachem Falten noch relativ unbeschadet sein sollten, so weiss doch jeder Smartphone-User: Spezialglas ist angenehmer zu berühren, sieht besser aus und ist nicht so anfällig auf Kratzer.

«Lego Fold» statt Galaxy Fold

So macht sich der bekannte Spielzeughersteller über faltbare Displays lustig.
So macht sich der bekannte Spielzeughersteller über faltbare Displays lustig.bild: twitter

Woz will ein faltbares iPhone 😱

Steve Wozniak, bekannt als Woz, ist eine lebende Legende. Wie ich schon früher schrieb, halte ich grosse Stücke auf den «Tech Wizard», der in den 1970ern praktisch im Alleingang die ersten Apple-Computer konstruierte.

Woz ist ein liebenswerter Kerl und eine Plaudertasche, die zu allen möglichen Themen seine Meinung kundtut. Man muss ihn nur fragen, so wie das Ende Februar zwei Bloomberg-Journalisten getan haben. Resultat: Woz will unbedingt ein faltbares iPhone und er meint, Apple hinke hinterher.

Das Problem: Woz ist zwar ein Gadget-Liebhaber, hat aber beim Hardware-Design keinen (guten) Riecher. Wäre es nach Steve Jobs' Kompagnon gegangen, hätten die ersten Tischrechner der Apple Computer Inc. ganz anders ausgesehen – und ihre Firma wäre wohl nicht durchgestartet.

Meine Prognose: Bis zum ersten faltbaren Apple-Handy wird es noch lange dauern. Auch wenn sich die Kalifornier die entsprechenden Patente bereits gesichert haben.

Verfrühter Jubel

Halten wir an dieser Stelle noch einmal fest: Kein Journalist konnte bislang ein Falt-Handy auf Herz und Nieren testen.

Was mich misstrauisch macht, sind die Vorschusslorbeeren, respektive die unverhältnismässige Begeisterung von Tech-Bloggern und Journalisten. Sie ist mit dem unstillbaren Wunsch nach Neuem, noch nie Dagewesenen zu erklären. Und wohl auch damit, dass die Medien dem Publikum schon seit vielen Jahren faltbare Handys anpreisen. Ohne Erfolg.

Das Kyocera Echo kam 2011 auf den Markt. Das Android-Smartphone hatte zwei Bildschirme – und floppte.

Nach mehr als zehn Jahren, in denen die Smartphones vor allem immer grösser und – zugegeben – langweiliger wurden, ist natürlich nachvollziehbar, dass grosse Veränderungen grosses Aufsehen erregen.

Das mediale Getöse bringt viele Klicks, erinnert aber an die «revolutionären» 3D-Fernseher, wie Kollege Raffael Schupisser in dieser lesenswerten Analyse treffend festhielt.

Mein Fazit: 2019 ist das Jahr, in dem die Foldables zurückkehren. Doch die Zukunft ist faltenfrei, darauf wette ich.

Und jetzt du!

Was hältst du vom Falt-Handy-Hype? Bist du bereits am Sparen – und wirst du dafür ein Organ verkaufen? 😉

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So funktioniert Huaweis Falt-Smartphone Mate X
1 / 19
So funktioniert Huaweis Falt-Smartphone Mate X
Nach Samsung hat auch Huawei ein auffaltbares Smartphone: Das Mate X ist Tablet und Handy in einem Gerät – und so funktioniert es.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Huaweis Falt-Smartphone Mate X kostet 2500 Franken
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
63 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
nick11
16.03.2019 19:11registriert Oktober 2015
Keine Angst, Apple wartet jetzt mal ab bis die Dinger wirklich brauchbar sind und lanciert dann etwas ganz Neues.... ein Falthandy.
29640
Melden
Zum Kommentar
avatar
najaundso
16.03.2019 19:32registriert Juli 2018
Dem Schreiber ist schon bewusst, dass richtig hochwertige Displays wie Refererenzmonitore für den grafischen und medizinischen Bereich alle Kunststoffmattscheiben haben?
12716
Melden
Zum Kommentar
avatar
Stema
16.03.2019 23:32registriert Januar 2019
Als die ersten Tablets vorgestellt wurden, dachte ich: „Wer braucht so etwas, wenn man ein Smartphone und Laptop hat?“. Heute nutze ich privat das iPad mehr als alles andere zusammen.

Und trotzdem geht es mir diesmal gleich. „Wer braucht schon faltbare Smartphones?“ Könnte ich mir wieder irren?

Vielleicht werden das ja Geräte, die Smartphones und Tablets komplett ablösen? Womöglich nicht in der ersten Generation, und sicher nicht zu einem Preis von 2500.- Franken. Aber vielleicht sind Technik und Markt in fünf Jahren reif dafür?

Ich lass mich auf jeden Fall gerne positiv überraschen :)
705
Melden
Zum Kommentar
63
Internetadressen mit Domain .swiss frei verfügbar
Personen mit Schweizer Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in der Schweiz können seit Mittwoch den Domain-Namen .swiss erwerben.

Internetadressen mit der Domain .swiss waren bisher nur öffentlichen oder privaten Unternehmen und Organisationen vorbehalten.

Zur Story