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Yonni Meyer: Der Feez - Eine Erinnerung

Schwarzlicht, Flips und 2Unlimited: Eine Erinnerung an den «Feez»

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Damals, in den 90ern ...
26.06.2017, 12:1826.06.2017, 12:34
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Der Höhepunkt meiner Pubertät lag so zwischen 2010 und 2017.

Ja, okay, vielleicht ein bisschen früher. So zwischen 1993 und 2017. Sagen wir, ab Bravo Hits 6 bis heute.  

Wie auch immer.  

Falls Sie aus meiner Generation stammen, wissen Sie bestimmt noch, was das Highlight unserer Jugendjahre war: der Feez. Und dann wissen Sie auch, was das Lowlight unserer Jugendjahre war: der Feez.

Für alle, die dieses Wort nun nicht verstehen, habe ich im Rahmen meiner Lesungstour soziologische Forschung betrieben. Andernorts nennt sich das anscheinend «Fuehr». Neudeutsch: ä Party, nöd wahr.  

So einmal alle drei bis sechs Monate durfte ein Klassengspähnli im Keller oder auch im Wohnzimmer eine Sause schmeissen. Das wurde standesgemäss mit Flyern angekündigt, wobei «Flyer» vielleicht etwas übertrieben ist, handelte es sich doch um schlichte DIN A4-Blätter, auf denen Ort, Zeit und (falls vorhanden) Thema der Party angekündigt wurden. In WordArt, versteht sich, ganz am Anfang noch in Gelb, Cyan und Magenta. Weiter waren die Drucker noch nicht. Unsere Gehirne jedoch auch nicht, traf sich also hervorragend. Die Farben waren eh allen scheissegal. Hauptsach Feez.  

Natürlich waren wir alle irgendwie ineinander verliebt. Leider sehr selten gegenseitig. Und so konzentrierten sich die Hoffnungen auf Erfüllung unserer Teenagerliebesträume immer auf den Feez. Immer. «Dieses Mal klappt's! Bestimmt!», dachten wir uns und schwebten in der Fantasie, bald endlich einmal berechtigterweise an Dr. Sommer schreiben zu können.  

Entsprechend fiel auch die Vorbereitung aus. Das Ritual war gross! Wir Mädchen trafen uns im Vorfeld bei einer von uns zuhause und zogen die allerschrecklichsten Kleider an, die es jemals gegeben hat. Und das würde sogar jemand mit der Toleranz eines buddhistischen Mönchs sagen. Stichwort Buffalo-Schuhe mit Netzstrümpfen und Miniröckli, dazu Plastiknuggis und grüne Augenbrauen. Danke Marusha. «Somewhere Over the Rainbow» hatte sich wohl auch unser Stilbewusstsein hin verabschiedet.

Meine Mutter nahm das alles stoisch hin. Entfuhr ihr bei meinem Anblick ein herzhafter Lacher, wusste ich, dass das Röckli wohl ein bisschen zu kurz geraten war und die Wahrscheinlichkeit, dass ich so das Haus verlassen würde, gegen Null tendierte. Sowas fanden wir Girls damals natürlich mega daneben. Ich mein: SORRY HEY! So zog man sich damals halt an. Mir entfuhr jeweils ein entnervtes «Oh Maaaaaaa!» (ja, meine Mutter war ob des Einsetzens meiner Hormonachterbahn von «Mama» zu «Maaaaaaaa» geworden) und ich verdrehte meine Augen dermassen, dass man hätte befürchten können, sie würden nie wieder aus den unendlichen Weiten meiner Augenhöhlen zurückkehren.  

Ich weiss noch, wie ich an den Abenden vor diesen Feezen jeweils im Bett lag und mir ausmalte, wie cool, abgeklärt und mutig ich sein würde. Ich legte mir die abgebrühtesten Sprüche zurecht (Memo to me: möglichst oft «geil» einstreuen, das war damals neu und meeeeega cool), dachte mir die waghalsigsten Dance-Moves aus und war sicher: Das wird der Abend, an dem mein Leben losgeht.  

Nun ja.  

In Tat und Wahrheit kam man so gegen sieben am Ort des Geschehens an. Je nach Jahreszeit war es dann noch viel zu hell oder aber der «Partyraum» (a.k.a. Hobbyraum vom Papi) war lediglich durch die vom Schwarzlicht in gleissendes Weiss oder Neon getauchten Kleidungsstücke und Zähne der Gäste und ein in der Ecke aufgestelltes Stroboskop erleuchtet. Auf dem mit Papiertischtuch überzogenen Festbank in der Ecke standen links Snacketti und rechts Flips. Ähnlich wie im ganzen Raum: Da standen links die Mädchen und rechts die Buben. Das würde sich auch den ganzen Abend nicht wirklich ändern.

An den Wänden hingen vom Veranstalter und dessen Mami liebevoll hergestellte Buchstaben aus Alufolie («Cool», «Hey», «Wow»), die man nun nicht sah. Schwarzlicht und Alu funktioniert halt mässig.  

Meist dauerte es etwas über die Hälfte des Abends, bis die ersten Mutigen sich auf die Tanzfläche wagten und zu «Cotton Eye Joe» shakten. Ja, shakten. Und die Chips wurden gefoodet. Wer «tanzte» oder «ass», wurde innert Sekundenfrist zum sozial Aussätzigen. Nein, man shakte. Bis dann das erste Mal «Think Twice» oder «Angel» aus den Lautsprechern dröhnte und wir wussten: Shit just got real! Jetzt würden wir eng tanzen müssen. ENG TANZEN!  

Können Sie sich noch an «Everything I Do» erinnern? Bryan Adams? Und wissen Sie noch, dass der Track circa 25 Stunden dauert? Er tut immer so, als sei er fertig und dann geht’s wieder los. Abhängig vom Tanzpartner konnten das die schlimmsten oder aber die allertraumhaftesten siebeneinhalb Minuten eines Teenagerlebens sein.  

Und dann ereigneten sich natürlich auch grosse Beziehungsdramen am Feez. Zum Beispiel, wenn man sich nach den ersten drei Stunden von «Everything I Do» in einem Anflug des sonst pubertätsbedingt inexistenten Selbstvertrauens traute, dem Angebeteten das alles entscheidende «Willst du mit mir gehen?» ins Ohr zu hauchen und dieser, weil Teenagerbuben halt so feinfühlig sind, ein «NEI!» zurückschrie. Hani ghört.  

Oder wenn nach einer intensiven Langzeitbeziehung von zweieinhalb Wochen ausgerechnet am Feez Schluss gemacht wurde. Hani ghört.  

Dann lagen sich die Mädchen draussen weinend und voller Weltschmerz in den Armen und bekräftigten sich, dass «ers imfall nöd wert isch!», während die Buben drinnen Mentos in Coci Light-Flaschen stopften oder aus Wachs und Flips Penisse und Brüste formten und sehr giggeleten.  

Um elf oder halb zwölf fand das Elend jeweils sein Ende, der Traumprinz wusste meist noch immer nichts von meiner Liebe und Dr. Sommer würde wieder eine Saison lang warten müssen, bis ich ihm meine praktisch bedingten Fragen zu Heavy Petting stellen konnte.  

Ich lag an diesen Abenden jeweils im Bett und dachte: Wenn ich mal gross bin, wird das alles anders. Dann wird das mit der Liebe viel einfacher und vernünftiger. Dann bin ich gefasst, cool und lässig.  

Ähä. Genau.

Bryan Adams: Everything I Do (1991)

Yonni Meyer
Yonni Meyer (35) schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt. 

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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River
26.06.2017 13:22registriert Mai 2015
Ich war an den Feezen die, die das mit dem Kopf machen konnte wie die Frau von 2unlimited. Und dann wenn das Lied abgespielt wurde sind alle (nacheinander irgendwie) zu mir gekommen und haben "komm, mach's" gesagt. Und ich dann so die Hände über dem Kopf zusammen und *kopfwackel* und sie dann: whoaaa.
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Phrosch
26.06.2017 19:17registriert Dezember 2015
Ach, der Feez. War schon zwei Jahrzehnte früher praktisch identisch. Zwar ohne Flyer, und alle brachten ihre Schallplatten mit. Snackettis gabs noch nicht, wir hatten Chips, ganz gewagt mit Paprika. Aber die Dramen spielten sich genau gleich ab, Buben auf der einen und Mädchen auf der anderen Seite, Träume und Hoffnungen und Enttäuschungen...
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Amadeus
26.06.2017 16:00registriert September 2015
Für diesen Super-Text, der mich für einen Moment wieder in meine Jugendzeit versetzt hat, würde ich sofort mit ihnen eng shaken Frau Meyer. Wobei eng tanzen bei uns damals ja bedeutete, soweit von einander weg, wie es die gestreckten Arme zuliessen. Lag vielleicht auch daran, dass man während dem Tanzen noch Speck-Snacketti gefuttert hat.

Liedvorschläge: Joshua Kadison - Jessie, The Connells - 74-75, oder Adiemus - Adiemus.
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