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Corona-Pandemie bringt Impfgegner arg ins Schwitzen

Doctors are executing a tracheotomy to a patient in Intensive Care in the pediatrics department at the regional hospital La Carita in Locarno, Switzerland, April 2, 2020. (KEYSTONE/Ti-Press/Pablo Gian ...
Die Behandlung eines Covid-Patienten ist sehr aufwändig.Bild: KEYSTONE/Ti-Press
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Die Corona-Pandemie bringt Impfgegner arg ins Schwitzen

Die Coronakrise macht deutlich, wie wichtig Impfstoffe im Zeitalter der globalen Mobilität sind. Und in Zukunft wohl erst recht sein werden.
04.05.2020, 08:57
Hugo Stamm
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Impfkritiker und vor allem Impfgegner liefen vor der Corona-Pamdemie zur Hochform auf. Sie konnten ihren Einfluss laufend ausbauen, weil die Skepsis gegenüber Impfungen immer breitere Bevölkerungskreise erfasst hatte.

Die Allianz der Gegner umfasste nicht nur die hartgesottenen Wutbürger, die in der Schulmedizin, der Pharmaindustrie, den Wissenschaftlern und vielen Politikern das klandestine Wirken geheimer Mächte sahen. Zu ihr gesellten sich vermehrt auch Esoteriker, Naturheilpraktiker, Anhänger der Alternativmedizin, Geistheiler, Gegner des Mobilfunknetzes 5G, Verschwörungstheoretiker und rechtsradikale Kreise.

Impfung Frau Impfgegner Impfen
Eine Impfung? Nein danke!Bild: shutterstock.com

Ihre Aversionen sind entsprechend unterschiedlich und vielfältig. Die Impfungen würden gefährliche Inhaltsstoffe enthalten, sagen die einen. Andere glauben, Impfungen würden Krankheiten auslösen und unter anderem zu Autismus führen. Manche behaupten, Kinderkrankheiten wie Masern seien harmlos und gehörten zur natürlichen körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern. Sie veranstalten Masernpartys, obwohl schon viele Kinder an Masern gestorben sind. Die Hardliner wiederum streiten schlichtweg die Existenz von Viren ab.

Den meisten gemeinsam ist, dass sie ein grundsätzliches und oft abgrundtiefes Misstrauen gegenüber der Schulmedizin, der Pharmaindustrie und der Politik hegen. Und dass sie Laien sind, sich aber als Experten fühlen. Und sich auch so gebärden. Experten, die es besser wissen als all die zehntausenden Virologen und Immunologen weltweit.

Verunsicherte Impfkritiker

Dann kam Corona. Die Pandemie hat nicht nur grosse Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt, sondern auch viele Impfkritiker. Vor allem die älteren. Und diejenigen, die unter Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislaufproblemen leiden.

Denn wie alle vernünftigen Leute sehnten sie sich danach, dass rasch ein Impfstoff entwickelt werde, um das fiese Virus auszurotten. Unter ihnen die überwiegende Mehrheit des Pflegepersonals, die sich bisher standhaft weigerte, sich gegen die gewöhnliche Grippe zu impfen.

Für Impfkritiker sind die Corona-Massnahmen Panikmache, um die Bevölkerung zu unterdrücken und zu manipulieren. Sie verhalten sich wie radikale Gläubige. Oder wie Anhänger einer Sekte.
Ganze Einkaufsmeilen bleiben während des Lockdown geschlossen. Nun zeichnet sich eine Lösung im Streit um Geschäftsmieten ab. (Archivbild)
Für Impfgegner ist der Lockdown vor allem eines: Panikmache.Bild: KEYSTONE

Und was macht Corona mit den hartgesottenen Impfgegnern? Nichts. Zumindest tun sie so. Für sie sind die Corona-Massnahmen Panikmache, um die Bevölkerung unterdrücken und manipulieren zu können. Sie verhalten sich wie radikale Gläubige, deren Aberglauben entlarvt worden ist. Oder wie Anhänger einer Sekte.

Sie ergreifen die Flucht nach vorn und behaupten, es gebe gar keine Viren. Diese seien eine Erfindung der weltweiten Machtelite aus Politik, Geldadel, Pharmaindustrie, Schulmedizin und Wissenschaft.

Impfgegner leugnet die Existenz von Viren

Einer dieser Virenleugner ist der deutsche Biologe Stefan Lanka. Er versprach vor Jahren jedem, der mit einer Studie die Existenz von Viren nachweisen und deren Grösse bestimmen könne, 100‘000 Euro. Ein Mediziner legte ihm sechs Studien vor, doch Lanka verweigerte ihm das «Preisgeld». Der Geprellte ging vor Gericht und bekam Recht. Lanka zog das Urteil weiter und wurde aus formalen Gründen freigesprochen. Der Grund: Er hatte den Nachweis in nur EINER Studie verlangt.

Klare Worte gab auch der deutsche Impfgegner Hans U. P. Tolzin von sich. Angesichts der Panikmache und den «massiven Grundrechte-Einschränkungen» könne man nur zum Schluss kommen, dass «die Menschheit nun endgültig wahnsinnig geworden ist», sagte er.

Daniel Trappitsch, Naturheilpraktiker, 2. v.l., spricht neben Lukas Reimann, Nationalrat SVP-SG, ganz rechts, und weiteren Aktivisten, waehrend der Einreichung des Referendums zum Epidemiegesetz, am D ...
Daniel Trappitsch vom Netzwerk «Impfentscheid» (2. von links) beim Einreichen des erfolglosen Referendums gegen das Epidemiegesetz.Bild: KEYSTONE

In ein ähnliches Horn bläst auch Daniel Trappitsch, der Guru der Schweizer Impfgegner-Szene. Der Naturheilpraktiker vom Netzwerk «Impfentscheid» und seine Verbündeten reichten beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den Bund ein. Dieser verletze mit seinen Pandemie-Massnahmen mehrfach die verfassungsmässig garantierten Grundrechte der gesamten Schweizer Bevölkerung, monierten sie. Deshalb sei der Bundesrat angemessen zu bestrafen. Schon nach fünf Tagen erteilte das Gericht den Beschwerdeführern aber eine klare Abfuhr.

Trappitsch beglückte seine Anhänger ausserdem mit mehreren schriftlichen Stellungnahmen. So behauptete er unter anderem, die angebliche Pandemie sei nur eine harmlose, aufgebauschte Problematik. Behörden und Medien würden «Panik und Hysterie» verbreiten, denn ein Virus sei nicht nachgewiesen. Ausserdem sei es nur eine Theorie, dass sich Viren über Ansteckung verbreiten würden.

«Ich sehe diese ganzen Machenschaften als Chance für die Bewusstwerdung der Menschheit. Bitte vergessen Sie nicht, dass ein bewusster, freiheitsliebender Mensch so viel Potential hat wie 10’000 eingelullte schlafende ‹Schafe›.»
Impfgegner Daniel Trappitsch vom Netzwerk «Impfentscheid».
Impfgegner Daniel Trappitsch im Interview mit dem Internetsender cryptowelt.Video: YouTube/cryptowelt

Im Newsletter des Netzwerkes vom 18. März schrieb er: «Ich sehe diese ganzen Machenschaften als Chance für die Bewusstwerdung der Menschheit. (…) Bitte vergessen Sie nicht, dass ein bewusster, freiheitsliebender und selbstdenkender Mensch so viel Potential hat wie 10’000 eingelullte schlafende ‹Schafe›. Das sollte Mut und Kraft geben.»

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Ein paar Tage später schrieb er unter dem Titel «Die Coronakrise, die nur in den Köpfen existiert?», man könnte zum Beispiel mit einer Verstärkeranlage Audioberichte von Impfkritikern auf dem Balkon laut abspielen. Er empfahl auch, das Handy zuhause zu lassen. «Denn es geht nun wirklich darum, unsere Freiheitsrechte zu schützen, wenn wir nicht in demselben Überwachungsstaat landen wollen wie China.»

Den letzten Newsletter schrieb Trappitsch am 3. April. Dann verstummte er.

Haben ihn die Zehntausenden Covid-Patienten, die im April verstorben sind, doch etwas nachdenklich gestimmt? Vielleicht. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr hoch. Zu vermuten ist vielmehr, dass ihm seine früheren Aussagen und «Analysen» peinlich geworden sind.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
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512 Kommentare
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Varanasi
02.05.2020 09:26registriert August 2017
Im Kongo sind bei einer Masernepedemie bis zum Jahresbeginn 6000 Menschen gestorben.

Das Problem mit solchen Krankheiten ist, dass sie hier nicht mehr präsent sind.
Wäre die Gefahr auch hier gross, an Polio, Masern usw zu erkranken und zu sterben, denke ich, dass so mancher Impfgegner keiner wäre.
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HugiHans
02.05.2020 09:09registriert Juli 2018
Impfgegener sein (auf Kosten der Anderen) kann man sich nur bei Krankheiten leisten, bei denen eine Herdenimunität oder eine Durchimpfung besteht.
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Bibilieli
02.05.2020 09:53registriert September 2014
Was mir bei dieser Diskussion ein wenig fehlt, ist die Unterscheidung zwischen notwendigen und empfohlenen Impfungen. Es gibt auch hier nicht nur schwarz und weiss. Gilt man bereits als Impfgegner, wenn man seine Kinder gegen Polio und Starrkrampf impfen lässt, selber jedoch nicht jedes Jahr eine neue Grippeimpfung bezieht?
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Fast so nervig wie das Gesurre einer Mücke nachts kann das Gebrumme einer Drohne tagsüber sein. Und wenn sie über den eigenen Garten fliegt, liegt der Gedanke an Selbstjustiz nah. Aber es sollte beim Gedanken bleiben.

Die Drohnengesetzgebung ist eine Wissenschaft für sich. Die Schweiz hat die Vorschriften der EU übernommen, aber – oder gerade deswegen – heisst es: Es ist kompliziert. Beginnen wir mit dem Einfachen. Wenn eine Drohne über dein Gärtchen surrt, ist es höchstwahrscheinlich eine Drohne der offenen Kategorie und somit eine Drohne mit einem verhältnismässig geringen Betriebsrisiko.

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