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Per Autostopp um die Welt

«In der Schweiz bin ich der Jugo, hier in Serbien bin ich der Schweizer»

Mit Neni und Fabienne: Der gebürtige Serbe lebt heute in der Schweiz, macht aber in Serbien Sommerferien mit seiner Freundin Fabienne.
Mit Neni und Fabienne: Der gebürtige Serbe lebt heute in der Schweiz, macht aber in Serbien Sommerferien mit seiner Freundin Fabienne.bild: thomas schlittler
Per Autostopp um die Welt

«In der Schweiz bin ich der Jugo, hier in Serbien bin ich der Schweizer»

Auf meiner 8. Etappe reise ich von Rumänien nach Serbien und besuche dort einen Freund von mir aus der Schweiz. Er macht in seinem Heimatdorf Ferien mit seiner Partnerin.
25.07.2015, 15:1415.08.2015, 23:31
Thomas Schlittler
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Für Tibis Lastwagen sind die Hügel im Südwesten Rumäniens zu viel: Der Motor überhitzt und das brodelnde Kühlwasser spritzt meterweit aus seinem Behälter. Nach fast einer Stunde Pause geht die Fahrt weiter. Als ich an der rumänisch-serbischen Grenze ankomme, ist es jedoch bereits 22 Uhr und stockdunkel. 

Kaum habe ich mich mit meinem Rucksack in die Autoschlange am Zoll eingereiht, öffnet sich im Wagen vor mir die Fahrertür und ein junger Mann ruft mir etwas zu. Ich gebe zu verstehen, dass ich weder Rumänisch noch Serbisch spreche. Also wechselt Petar auf Englisch und bietet mir an, mit ihm und seiner Freundin Minela über die Donau-Brücke nach Serbien zu fahren. 

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Per Autostopp um die Welt – Etappe 8
Von Brasov nach Viscri: Vlad fährt einen kilometerlangen Umweg, nur um mich direkt ins Dörfchen Viscri zu bringen.
quelle: thomas schlittler
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Sie fragen mich, wohin ich genau will. «Nach Kladovo», antworte ich. «Dann kannst du gleich mit uns mitkommen, wir leben in Kladovo», sagt Petar. 

Im Sommer ist es vorbei mit der Ruhe

Kladovo liegt zehn Kilometer vom Grenzübergang entfernt und hat rund 10‘000 Einwohner. Bis vor ein paar Jahren sei es eine verschlafene Kleinstadt gewesen, sagt Petar, jetzt sei hier aber einiges los: «Im Sommer verbringen viele im Ausland lebenden Serben ihre Ferien in Kladovo, dann ist es vorbei mit der Ruhe.» 

Petar hat damit kein Problem, denn die Touristen bringen Geld und Arbeit. Doch das würden längst nicht alle Einheimischen so sehen: «Viele können die Gastarbeiter, wie wir die in Westeuropa lebenden Serben nennen, nicht leiden.» Der Grund für die schwierige Beziehung: Ein Teil der Gastarbeiter wirft während der Ferien in der alten Heimat praktisch mit Geld um sich. Ob im Restaurant oder im Club, das Portemonnaie sitzt locker. Schliesslich ist für sie in Serbien alles spottbillig. 

Wenn man durch die Stadt läuft, sieht man meist auf den ersten Blick, ob in einem Haus Einheimische leben, oder ob es sich um ein Ferienhaus von Gastarbeitern handelt. Und auf der Strasse haben die teuren Autos in der Regel westeuropäische Nummernschilder. Viele Einheimische fühlen sich provoziert durch diese Zurschaustellung des im Westen erarbeiteten Reichtums – denn sie selbst müssen mit wenigen hundert Euro im Monat auskommen. 

Neni ist einer dieser serbischen Gastarbeiter

Dieser Problematik ist sich auch Neni bewusst. Der 25-Jährige ist ein Freund von mir aus der Schweiz und einer dieser serbischen Gastarbeiter. Er und seine Freundin Fabienne sind der Grund für meinen Abstecher nach Kladovo, ich besuche sie in ihren Sommerferien.  

«Mir war es immer sehr wichtig, nicht nur mit den anderen Gastarbeitern Zeit zu verbringen, sondern auch mit den Einheimischen, die ich seit Jahren kenne.»
Neni, Serbe, lebt in der Schweiz

Auch Neni fährt einen schicken Audi und das Ferienhaus seiner Eltern in Kladovo ist deutlich schöner als die meisten anderen Gebäude in der Umgebung. Dennoch hat Neni viele Freunde, die Einheimische sind: «Mir war es immer sehr wichtig, nicht nur mit den anderen Gastarbeitern Zeit zu verbringen, sondern auch mit den Einheimischen, die ich seit Jahren kenne.»

Die Tatsache, dass er viel mehr Geld zur Verfügung hat als seine Freunde, die in Kladovo leben, sei nicht immer einfach für die Freundschaft. «Aber wenn man nicht arrogant auftritt, ist es kein Problem.» Trotzdem nennt sich Neni selbst Doppel-Ausländer: «Wenn ich in der Schweiz bin, bin ich der Jugo. Und wenn ich hier in Serbien bin, bin ich der Schweizer.»

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