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Luftfahrt

Passagier klagt gegen Easyjet wegen Verspätung und gewinnt

Flug verspätet! Diese Reisenden sind zum Warten gezwungen, weil ihr Flug nicht planmässig abhebt. Unter gewissen Bedingungen können sie eine Entschädigung geltend machen.
Flug verspätet! Diese Reisenden sind zum Warten gezwungen, weil ihr Flug nicht planmässig abhebt. Unter gewissen Bedingungen können sie eine Entschädigung geltend machen.
Bild: JIM YOUNG/REUTERS

Passagier klagt gegen Easyjet wegen Verspätung und gewinnt

Wegen eines verspäteten Flugs ging ein Passagier vor Gericht. Zwei Jahre kämpfte er gegen Easyjet. Als Erster mit Erfolg
14.05.2016, 06:4314.05.2016, 07:23
Stefan Schuppli / Nordwestschweiz
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Susanna und Heinz Kohlund (Namen geändert) freuten sich auf ihr lang ersehntes Wochenende in Rom. Der Flug war gebucht, der Preis vertretbar und Kohlunds bereit zum Abheben. Doch es sollte ein Nachmittag des Wartens werden. Um 15.40 Uhr hätte der Easyjet-Flug in Basel abheben sollen. Kurz vor der Einsteigezeit kam die Info: Flug verspätet.

Die Passagiere des Fluges EZY 4922 mussten sich diese Durchsage in den kommenden Stunden noch mehrfach anhören. Das Flugzeug, das sie hätte nach Rom fliegen sollen, war defekt. Eine Ersatzmaschine wurde aus Genf eingeflogen. Sie war eine Nummer kleiner. Rund zehn Passagiere mussten daher in Basel bleiben. Fünf Stunden zu spät hob der Jet endlich ab, mit Susanna und Heinz an Bord, halb froh, halb auf Rache sinnend. Das war im Juli 2014.

Easyjet muss zahlen

Heinz Kohlund ist Jurist. Er weiss einiges über Fluggastrechte in der Schweiz und der EU. Mehr aus Neugierde spielt er in Gedanken durch, wie er zu seinem Recht kommen könnte. Denn nach EU-Recht kann eine Fluggesellschaft zu einer Zahlung verdonnert werden. Kohlund schreitet zur Tat und fordert schliesslich von Easyjet für sich und seine Frau je 250 Euro. Keiner seiner Briefe wird beantwortet.

Kohlund macht schliesslich vor dem Zivilgericht in Basel in einem Schlichtungsverfahren seine Forderung geltend. Die Firma glänzt bei der Verhandlung durch Abwesenheit. Ein Fehler. Womöglich. Denn die Schlichtungsstelle anerkannt die Forderung Kohlunds, der Entscheid wird rechtskräftig und Kohlund betreibt Easyjet schliesslich.

Auch in Genf, dem Gerichtsstand von Easyjet Switzerland, kommen die Richter zum gleichen Ergebnis: Easyjet muss zahlen. Und zwar nicht nur die geforderten 500 Euro, sondern auch Verzugszinsen und die Prozesskosten des Klägers. Vor rund einem Monat überwies die Airline schliesslich 960 Franken.

Eine späte Entschuldigung

Es ist wohl der erste Fall dieser Art in der Schweiz, der vor einem Schweizer Gericht positiv entschieden wurde. Ja, die Forderung sei berechtigt gewesen, schreibt Easyjet auf Anfrage der «Nordwestschweiz». «Wir nehmen unsere Verantwortung im Rahmen der EU-Richtlinie 261 ernst und entschuldigen uns.» Unbeantwortet blieb die Frage, warum Briefe Kohlunds nicht beantwortet wurden, warum die Bezahlung herausgezögert wurde und warum Easyjet von der Schlichtungsverhandlung in Basel fernblieb.

Kohlund hat damit auch für andere Passagiere in einer ähnlichen Situation eine Bresche geschlagen. Er weist jedoch darauf hin, dass das Verfahren trickreich sei. So müsse man zum Beispiel die Forderung in Euro einklagen. Die Betreibung hingegen muss – umgerechnet – auf Schweizer Franken lauten.

Diese Ansprüche können Passagiere stellen

Die Tarife sind abgestuft: Bei Flugstrecken bis 1500 Kilometern hat der Passagier 250 Euro zugute, bei längeren Strecken 400 Euro. Ebenfalls 400 Euro erhält, wenn der Flug von einem Flughafen eines Nicht-EU-Staates startet oder dort landet und die Entfernung zwischen 1500 Kilometern und 3500 Kilometern beträgt. Bei Strecken über 3500 Kilometern mit Start oder Ziel ausserhalb der EU beträgt die Ausgleichsleistung 600 Euro.

Auch bei anderen Unregelmässigkeiten, wenn Flüge gestrichen werden oder die Maschinen überbucht sind, sind Fluggesellschaften in der Pflicht. Wird ein Flug annulliert, hat der Passagier die Wahl zwischen Rückerstattung des Ticketpreises oder anderweitiger Beförderung zum Ziel.

Eine Fluggesellschaft muss nichts zahlen, wenn aussergewöhnliche Umstände – in der Juristensprache: Höhere Gewalt – zu der Verspätung geführt haben. Dazu gehört extrem schlechtes Wetter oder Vogelschlag. Fehlte aber das Enteisungsmittel oder war die Maschine nicht angemessen auf den bevorstehenden Winter vorbereitet, liegt das in der Verantwortung der Fluggesellschaft.

Die Rechtslage bleibt unklar

Der gewonnene Fall ist nur die Hälfte der Geschichte. Die andere ist, dass die Rechtslage bei Verspätungen in der Schweiz nach wie vor unklar bleibt. Hier gibt zwei klare Fronten: Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) äussert sich auf seiner Website ausführlich zu den Passagierrechten.

Die Möglichkeit, dass Passagiere in Europa Geld fordern können, ist erst aufgrund eines Entscheids des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) geschaffen worden. Das Bazl argumentiert, dass europäische Gerichtsentscheide, die nach der Übernahme der EU-Regelung erfolgten, in der Schweiz nicht anwendbar seien. Die Vergütung von Easyjet an obgenannte Passagiere sei auf freiwilliger Basis erfolgt. Damit widerspricht das Bazl der Interpretation des Gerichts in Genf.

Es gibt tatsächlich einen anderen aktuellen Gerichtsfall, der im Sinne des Bazl ausgegangen ist. Darauf weist die Fluggesellschaft Swiss hin. Dieses Urteil – es wurde am 2. Februar vom Bezirksgericht Bülach gefällt – verneinte eine Zahlungspflicht. Dabei ging es um eine Verspätung von mehr als drei Stunden.

Der Konsumentenschutz SKS ist anderer Ansicht: Es gehe es um die Rechte der Betroffenen in einem gemeinsamen Markt. Es gäbe keinerlei Gründe, nachfolgende gerichtlich verfügte Änderungen des Rechts auszunehmen, sagt Cécile Thomi vom Konsumentenschutz.

Unregelmässigkeiten: Was Sie beachten müssen

Wichtig ist, dass bei einer Forderung nach Ausgleichsleistungen Name, Flugnummer, Datum, Abflug- und Ankunftsflughäfen, Einsteigekarte, geplante Abflug- und Ankunftszeit notiert werden müssen. Quittungen für Verpflegung und Unterkunft nicht fortwerfen!

Auf der Website des Bundesamts für Zivilluftfahrt Bazl (www.bazl.admin.ch) gibt es ein Anfrageformular, das man ausgefüllt dem Bundesamt schicken kann. Dieses prüft unentgeltlich, ob eine Forderung berechtigt ist. Das Bazl sieht bei Verspätungen kein Recht auf Kompensation.

Wem ein Rechtshändel mit einer Fluggesellschaft zu aufwendig ist, kann sich in beschränktem Umfang an spezialisierte Inkassofirmen wie www.euclaim.de, fairplane.de, refund.me und getairhelp.de wenden. Bei diesen Agenturen muss man vorgängig anfragen, ob sie Fälle aus der Schweiz übernehmen. Euclaim übernimmt nur Fälle aus der Schweiz, wenn der Abflug- oder Ankunftsflughafen in Deutschland, den Niederlanden oder in Grossbritannien liegt. Flightright.de kümmert sich auch um Schweizer Passagiere. Bei Erfolg beanspruchen diese Inkassofirmen bis zu 30 Prozent des Ertrags.

Wenn der Flieger dann tatsächlich abhebt: 21 Inseln, die zum träumen einladen

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21 Inseln, die zum Träumen einladen
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