Hitler-Vergleiche sind eigentlich ein Unding. Jeder, der sich wagt, sie zu ziehen, wird mit schmählichen Schlagzeilen bedacht und irgendwie in Zusammenhang mit einem gewissen Fettnäpfchen gebracht. Dennoch werden die Diktatorenparallelen unaufhörlich gezogen. Von Politikern, Regisseuren, Hotelerbinnen, Geistlichen oder so wie kürzlich – von Prinzen. Also auf zur Frage: Wer ist denn nun alles so Hitler?
Prinz Charles hat uns den neusten Hitler-Vergleich beschert. Als der britische Thronfolger bei seinem Besuch in Kanada die Holocaust-Überlebende Marienne Ferguson traf, soll er laut ihrer Aussage in Bezug auf die Ukraine-Krise gesagt haben: «Und jetzt tut Putin so ziemlich dasselbe wie Hitler.»
Wir wollen uns an dieser Stelle an eine ganz bestimmte Verkleidungsparty im Jahr 2005 erinnern. War es da nicht der royale Sohn, der sich selbst als Nazi verkleidete?
Putin ist also Hitler und Hitler ist Harry. Harry ist der Sohn von Charles und Charles ist dieser verstörenden Kausalkette zufolge der Vater von Hitler. Oder wie jetzt? Verwirrend.
Prinz Charles steht allerdings nicht alleine da. Putins Krim-Politik erinnert den deutschen Finanzminister Schäuble an die nationalsozialistischen Methoden im Sudetenland, US-Aussenministerin Clinton glaubt an einen Wiederherstellungsakt der «Russischen Grösse» und in den Augen der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin Timoschenko wird die Neuzeichnung der Weltkarte durch Krieg, Massenmord und Blut zu Putins «Mein Kampf».
Die Putin-Liste könnte man natürlich bis ins Unermessliche treiben, aber wir wollen uns jetzt auf die Suche nach weiteren Diktatorendoubles machen...
Italiens Ex-Premier Berlusconi fühlt sich vom «Fünf Sterne»-Gründer Beppe Grillo an Hitler erinnert. (Ausserdem noch an Robespierre, Marx und Stalin.) «Die Italiener müssen den Populisten, der eine Sekte führt, fürchten.»
An dieser Stelle erstaunt, dass Machiavelli in Berlusconis Vergleichsliste mit Abwesenheit glänzt.
Berlusconi fährt fort: «Er behauptet, dass er die Regierung in Italien übernehmen will, sollte seine Gruppierung bei den Europawahlen zur stärksten Einzelpartei aufrücken. Personen dieser Art vernichten auch physisch ihre Gegner und bauen Diktaturen auf.»
Grillos Gegenangriff zielte nicht direkt auf Berlusconi ab, dafür aber auf sein Hündchen: «Berlusconi ist mit diesem Scheisshund Dudu verrückt geworden. Dudu sollte Tierversuchern übergeben werden. Ich hasse diese entartete Schoßhündchen mit dem Mäntelchen».
Empört waren daraufhin Berlusconis Vertrauensleute, verletzt die Gefühle aller italienischen Hundefreunde und Tierschutzvereine. Die Parlamentarierin Michaela Biancofiore findet daraufhin, dass Grillo nicht nur wie Hitler, sondern sogar« ärger als Hitler» sei. «Er ist das Alter Ego von Mengele.»
Die Hotelerbin schockierte 2010 in Saint-Tropez die Öffentlichkeit mit einer Kombination aus Hitlergruss und Hitlerschnauz. Paparazzi haben die Gunst der Stunde ausgenutzt und sie in dieser denkbar inkorrekten Pose abgelichtet. Ihre Ausrede zeugt von exquisitem Erfindungsgeist: «Ich hab mich nur gekratzt und dabei gewinkt.» Ihrem Pressesprecher kam daraufhin die Glanzidee, die Bewegung der Blondine ein bisschen anders zu deuten: «Paris tanzte und kratzte sich im Gesicht».
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sitzt heute in der päpstlichen Kurie. Sein gewagter Vergleich, den er 2010 in einer Predigt im Regensburger Dom zog, schien seiner Karriere keinen Abbruch zu tun.
Ausschlaggebend waren die damaligen Schlagzeilen, die von unzähligen Missbrauchsfällen berichteten, in die die katholische Kirche verwickelt gewesen war. Für den heutigen Kurienkardinal war dieser Medienrummel vergleichbar mit der kirchenfeindlichen Haltung der Nazis: «Jetzt erleben wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche.»
2006 hielt Papst Benedikt XVI. eine Rede, die in der muslimischen Welt zu Protesten führte. «Leider hat der Papst den Islam beleidigt», so die Worte des einflussreichen iranischen Geistlichen Ahmed Chatami. Am schärfsten fiel die Kritik aber in der Türkei aus. Der stellvertretende Vorsitzende der türkischen Regierungspartei AKP, Salih Kapusuz, verglich die historische Leistung des Papstes mit derjenigen eines Hitlers und Mussolinis. «Der Papst ist in derselben Kategorie mit Führern wie Hitler und Mussolini in die Geschichte eingegangen.»
Der britische Ex-Premierminister sowie der ehemalige US-Präsident George W. Bush mussten wegen ihrer Irak-Politik als Hitler-Pendants herhalten. 2005 bezeichnete der simbabwische Präsident Robert Mugabe die beiden als «gottlose Männer», die wie Hitler und Mussolini eine unheilige Allianz geschmiedet und ein unschuldiges Land angegriffen hätten.
Es soll schliesslich für die Frauenquote in einer Hitler-Liste gesorgt sein. Die deutsche Kanzlerin scheint dafür ziemlich perfekt.
Ende 2007 sorgte sie für Furore, als sie zum Auftakt des EU-Afrika-Gipfels auch die Menschenrechtsfrage in Simbabwe angesprochen hatte. Dies sehr zum Missfallen des Informationsminister Ndlovu: Sie kassierte die Attribute «Faschistin» und «Überbleibsel der Nazis».
Das simbabwische Oberhaupt sieht sich aber auch selbst gerne als Hitler: «Ich bin Hitler hoch zehn».
Die türkische Zeitung Vakit hat Merkel im selben Jahr als «zweiten Hitler» bezeichnet. So wie seinerzeit Hitler versucht habe, die Deutschen zu einer überlegenen Rasse zu machen, so wolle nun Angela Merkel dieses Projekt fortsetzen.
2011 in Cannes: Der dänische Regisseur Lars von Trier outet sich als Nazi. Wörtlich hat er gesagt: «Ich bin ein Nazi» und fügte hinzu, dass er Hitler verstehe, auch wenn er «ein paar schlechte Dinge» gemacht habe. Er könne ihn sich vorstellen, in seinem Bunker, am Ende. Damit heimste er sich den Festivaltitel «unerwünschte Person» ein. Immerhin hat er sich selbst denunziert.
Alt Bundesrat Couchepin wollte 2008 in einer Kommissionssitzung zum Thema Menschenversuche über KZ-Arzt Josef Mengele sprechen. Er sprach stattdessen vom SVP-Politiker «Mörgele». Ein Versprecher, was denn sonst? Es verstehe sich wohl von selbst, dass niemand in der Schweiz heute mit Mengele verglichen werden könne, vor allem nicht ein demokratisch gewählter Parlamentarier – so lautete die Erklärung.
Mörgeli war dennoch ungeheuer beleidigt und sagte gegenüber der SF-Tagesschau, dass Couchepin für die Schweiz als Bundespräsident nicht mehr tragbar sei.