Obwohl es Donald Trump immer noch leugnet: In den USA haben Rechtsstaat und Demokratie gesiegt. Am 20. Januar 2021 wird Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten sein Amt antreten.
Er wird es mit einem All-Star-Team tun. Das zeigen seine ersten Ernennungen: Die ehemalige Fed-Präsidentin Janet Yellen wird Finanzministerin, der ehemalige Aussenminister John Kerry Klima-Sonderbotschafter. Bidens langjähriger Gefährte Antony Blinken wird Aussenminister und Ron Klain, ebenfalls ein profunder Kenner der Verhältnisse in Washington, Stabschef.
Bidens Team besteht nicht nur aus gestandenen Profis, es wird auch bunt gemixt sein. Schwarze, Farbige und Frauen werden darin vertreten sein. Das eintönige Bild weisser alter Männer der Trump-Regierung wird der Vergangenheit angehören.
Bei der Auswahl seines Teams absolviert Biden eine heikle Gratwanderung. Einerseits muss er als Gemässigter dafür sorgen, dass auch die Progressiven in der Demokratischen Partei auf ihre Rechnung kommen. Weil jedoch die meisten seiner Ernennungen vom Senat abgesegnet werden müssen und die Republikaner dort möglicherweise ihre Mehrheit behalten werden, muss Biden auch auf die Befindlichkeit der Grand Old Party (GOP) Rücksicht nehmen.
Dieser Spagat ist dem gewählten Präsidenten bisher sehr gut gelungen. Seine Ernennungen sind auf Wohlwollen, ja gar Begeisterung gestossen. Die Börsen haben auf Yellen mit einem Freudensprung reagiert. Das Team als Ganzes wurde gar mit den Avengers verglichen, einem Film, in dem eine Truppe von Superstar-Sci-Fi-Helden die Welt vor dem Untergang rettet.
Biden kann dieses Team mehr als gut gebrauchen. Noch selten hat ein amerikanischer Präsident sein Amt mit einer derartigen Fülle von zu bewältigenden Problemen angetreten. Eine rasche Bewältigung der Coronakrise ist dabei nur die Spitze des Eisbergs, und die Aussicht auf einen baldigen Impfstoff wird es Biden erleichtern, dieses Problem auch zu bewältigen.
Die Coronakrise hat jedoch die Schwächen der amerikanischen Gesellschaft schlagartig und gnadenlos aufgezeigt. Die neoliberale Verherrlichung eines nicht regulierten Marktes hat mittlerweile eine geradezu absurde Ungleichheit erzeugt und dafür gesorgt, dass der einst so robuste amerikanische Mittelstand ausgehöhlt wurde.
Die reichste Nation der Welt ist nicht mehr in der Lage, grosse Teile ihrer Bevölkerung zu ernähren. Deshalb bilden sich derzeit lange Schlangen an Orten, an denen wohltätige Organisationen gratis Nahrungsmittel verteilen. Die ärmsten Amerikanerinnen und Amerikaner leiden bereits an Hunger, darunter befinden sich tragischerweise viele Kinder.
Nicht weniger absurd ist der Zustand des amerikanischen Gesundheitswesens. Ausgerechnet in einer Pandemie haben viele Amerikanerinnen und Amerikaner nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Krankenkasse verloren. Schuld daran ist der widersinnige Zustand, dass rund die Hälfte der amerikanischen Krankenkassenversicherungen direkt mit dem Job verbunden ist.
Langfristig ist die Bewältigung der Klimaerwärmung die grösste Herausforderung, die auf den 46. amerikanischen Präsidenten wartet. Um dazu erste wirksame Massnahmen einleiten zu können, ist Biden auf die Unterstützung des Kongresses angewiesen. Daher kommt der Wahl von zwei Senatoren am 5. Januar im Bundesstaat Georgia enorme Bedeutung zu. Gewinnen die Demokraten die beiden Sitze, dann können sie im Senat den Mehrheitsführer stellen und damit die Agenda dieses Gremiums bestimmen.
Ein Sieg in Georgia liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Die Republikaner sind nicht nur schlechte Verlierer, sie liegen sich bereits in den Haaren. Trump macht Brian Kemp, den Gouverneur von Georgia, mitverantwortlich für seine Niederlage in diesem Bundesstaat, und dies, obwohl Kemp bisher ein beinharter Trump-Anhänger war. Auch die beiden Kandidaten der GOP, Kelly Loeffler und David Perdue – beides ebenfalls bedingungslose Trump-Anhänger –, zoffen sich mit ihrem Gouverneur.
Trump selbst spielt weiterhin die beleidigte Leberwurst und verbarrikadiert sich im Weissen Haus. In seinem ersten Interview nach seiner Niederlage beklagte er sich auf Fox News einmal mehr über angeblich verfälschte Wahlen und ihm feindlich gesinnte Medien und Richter.
Mit diesem Verhalten schiesst sich der scheidende Präsident selbst ins Knie. Amerikaner mögen keine schlechten Verlierer, und die absurden Auftritte von Trumps Anwalt Rudy Giuliani stossen ausser beim harten Kern seiner Anhänger nur noch auf eine Mischung aus Verachtung und Spott.
Der sich zuspitzende Streit mit Fox News dürfte Trumps Image ebenfalls nicht dienlich sein. Wie lange Rupert Murdoch Trumps Flirt mit den beiden reaktionären TV-Stationen Newsmax und OAN noch zuschaut, wird sich weisen. Sollte es tatsächlich zu einem Bruch zwischen Fox News und Trump kommen, dann wäre dies das grösste Geschenk des scheidenden Präsidenten an seinen Nachfolger.
Zur Zeit ist Trumps Einfluss auf die GOP nach wie vor sehr gross. Doch Ruhm ist vergänglich. Sarah Palin war 2008 Partnerin von John McCain und der absolute Superstar der Republikaner. Heute muss sie in billigen TV-Shows um den kläglichen Rest ihres Rufs von einst buhlen. Einem Trump ohne Fox News könnte das gleiche Schicksal blühen.