Er hat die Nationalmannschaft weiterentwickelt, das spricht für ihn. Nun aber ist er an einem Punkt angekommen, an dem er sein System justieren muss. Weniger Spielkontrolle, mehr Risiko. Die eklatantesten Unterschiede zu den Nationen, die an dieser EM begeistern: Sie spielen schneller und vertikaler. Sie wählen häufiger den mutigen Steilpass.
Die Schweizer? Brav. Immer auf Kontrolle bedacht. Schliesslich predigt der Mister seit Jahren: «Wir müssen dominant sein». Dominant ist aber nur, wer dem Ball Sorge trägt. Und wer dem Ball Sorge trägt, hält ihn zu lange, verschleppt das Spiel. Kurz: Die Schweiz ist berechenbar geworden. Petkovic muss den taktischen Turnaround schaffen, um der richtige Trainer für die Zukunft zu sein. Ausserdem sollte er seinen Führungsstil anpassen – die Spieler an die kürzere Leine nehmen.
Nein. Jedenfalls macht es nicht den Anschein. Erstens: Vladimir Petkovic räumt den Spielern viele Freiheiten ein, setzt auf Eigenverantwortung. Und was machen die Spieler? Sie nutzen das aus. Allen voran Granit Xhaka mit seiner Tattoo- und Coiffeur-Aktion. Offenbar sind einzelne Spieler nicht reif genug für den Führungsstil von Petkovic.
Zweitens: Petkovic ist seinen Spielern gegenüber äusserst loyal. Selbst wenn einer mal im Klub kaum spielt, lässt er ihn nicht fallen. An der EM setzt er auch im zweiten Spiel auf die genau gleiche Elf wie gegen Wales. Und was machen die Spieler? Sie lassen ihren Trainer hängen, belohnen das Vertrauen weder mit Leistung noch mit Leidenschaft. Es ist an der Zeit, dass der Nati-Trainer im Hinblick auf das Türkei-Spiel ein Zeichen setzt.
Nein. Xhaka spaltet eher als er vereint. Das beginnt schon neben dem Platz, wo er eine Sonderrolle beansprucht. Stets darauf aus, im Mittelpunkt zu stehen, vergisst er die Kernaufgaben eines Captains: Die Equipe zu repräsentieren, die gemeinsam festgelegten Werte vorzuleben, als Bindeglied zwischen Team und Trainer sowie Team und Öffentlichkeit zu fungieren.
Noch fehlt Xhaka die Reife für dieses Amt. Noch fehlt ihm die Bereitschaft und das Sensorium, die eh schon fragile Beziehung zwischen Team und Öffentlichkeit zu verbessern. Weder punktet er, wenn er protzt, noch wenn er auf dem Platz durch Kommandos statt durch Leistung auffällt. Als Xhaka noch nicht der Chef war, hatten wir mehr Freude am Fussballer Xhaka.
Das ist die grosse Frage. Prägnante Wortmeldungen des Captains sind den Spielern ja nicht erst seit dem Aufenthalt in Rom bekannt. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt: «Wer Kritik übel nimmt, hat etwas zu verbergen.» Zu kaschieren gibt es nach dem schonungslosen 0:3 nichts mehr, die Wahrheit lag ja auf dem Platz. Und sie liegt dort immer noch.
Deshalb: Nach einer reinigenden Teamaussprache und Analyse gehen die Spieler im besten Fall in sich hinein und geeint in die entscheidende Partie gegen die Türkei. Denn Kritik kann anstacheln, wütend machen und Energien freisetzen, das Gegenteil zu beweisen. Nur: Kritik kann auch lähmen, vor allem dann, wenn der Sender umstritten sein sollte.
Die Schweizer sagen es von sich, aber es wirkt nicht so. Die Italiener während ihrer Hymne? Wow, Gänsehaut, Tränen, «emozioni». Die Schweizer? Okay, die Melodie ihres Lobgesangs ist alles andere als ein Gassenhauer, der Text sowieso. Der Eindruck, der jeweils entsteht? Schon tausendmal besprochen.
Doch auch während des Spiels und abseits des Rasens beschleicht einen das Gefühl, dass nicht alle an einem Strang ziehen, dass es Grüppchen gibt und Eigeninteressen, die das Team eher spalten denn einen. Ein Beispiel ist Freuler, bei dem man zweifeln darf, ob er sich neben Xhaka tatsächlich wohlfühlt, das gilt aber auch umgekehrt.
So sagte Xhaka vor der EM: «Remo hat Fortschritte gemacht im Klub, das muss er nun auch in der Nati beweisen und Verantwortung übernehmen.» Zweimal in diesen Tagen wurde ebenfalls Freuler zum Captain befragt, zweimal gab er wirsche Antworten: «Hat Granit nicht eine eigene Pressekonferenz?» Und: «Zum Thema Frisuren ist abgemacht, dass ich nicht rede.»
Es ist die Frage, welche die Schweiz seit Jahren begleitet. Und nun neue Dramatik erhält. Weil das 0:3 gegen Italien den Tiefpunkt in der Amtszeit von Vladimir Petkovic markiert. Seit 2014 und dem 2:5 an der WM gegen Frankreich musste die Nati nie mehr derart unten durch.
Vielleicht ist das Italien-Erlebnis ein Weckruf zur rechten Zeit. Denn eines ist klar: In den letzten Jahren hat sich die Schweiz vor allem in den Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe oder jene, die schwächer einzustufen sind, verbessert. Obwohl das 1:1 gegen Wales bereits ein kleiner Rückschlag war. Noch immer gilt aber: Entscheidend wird sein, wie die Schweiz in der nun folgenden Partie gegen die Türkei auftritt. Es ist der Nati zuzutrauen, im entscheidenden Moment zuzuschlagen.
Widerstände überwinden, Kritik in Energie umwandeln – es bleibt jedenfalls ein ständiges Thema der Nati während grossen Turnieren. Gelingt es, kann plötzlich ein «Argentinien-Groove» entstehen, wie bei der WM 2014, als die Schweiz auf das 2:5 gegen Frankreich reagieren konnte, erst Honduras 3:0 besiegte und dann Argentinien heroisch forderte. Gelingt es nicht, wird diese EM zur grössten Nati-Enttäuschung seit der Heim-EM 2008.
Der Eindruck sagt: ja. Die Statistik beweist: ja. So rannte Stürmer Immobile 10,8 Kilometer, und Stürmer Embolo 9. Insgesamt liefen sechs Italiener über 10,3 Kilometer (Total 112,4), auf Seite der Schweizer (Total 106) waren es gerade mal zwei: Freuler und Xhaka, wobei der Captain als einziger auf 11 Kilometer kam (Jorginho schöpfte ihm aber auch da das Wasser ab).
Vor allem Aussenläufer Rodriguez hat in Anbetracht der Position einen schwachen Wert (9,8) und ist allein schon deswegen auf der Seite eine Fehlbesetzung. Bereits in der weniger intensiven Auftaktpartie gegen Wales liefen die Schweizer drei Kilometer weniger (87,3:90,3) als der Gegner. Den Gegenentwurf bilden da die Russen (gegen Finnland) mit gesamthaft fast 120 Kilometern.
Fussball ist ein Bewegungsspiel und Laufen letztlich Einstellungssache, Leidenschaft, die sich bei der Spielfreude zeigt. Laufen bedeutet, auch die letzten Meter zu gehen – sie hätten gefehlt gegen Italien, sagt Steven Zuber. Gut, dass man das mit reinem Willen ändern kann – im Gegensatz etwa zur Technik, Spielintelligenz.
Lichtsteiner, Behrami, Djourou, Dzemaili, Gelson. Fünf Namen, die für ziemlich viele Verdienste im Schweizer Nationalteam stehen. Allesamt Charakterköpfe. An der WM 2018 waren sie letztmals an einem grossen Turnier dabei. Danach traten sie alle irgendwann zurück oder wurden nicht mehr aufgeboten, manch einer mit mehr Nebengeräuschen, manch einer mit weniger.
Man muss nun nicht gleich den gesamten Umbruch infrage stellen, den Petkovic initiiert hat. Aber eines war bisher an dieser EM augenfällig: Es fehlt den Schweizern an Mentalität, an Leidenschaft, an Willen auf dem Feld. Man würde sich ein paar Funken mehr Feuer wünschen, vielleicht gar etwas Gift. Und vielleicht auch etwas Entlastung für Captain Xhaka beim Führen dieses Teams.
Es gibt einiges im Leben, das wichtiger ist als Fussball. Auch nach einem 0:3 gegen Italien. Torhüter Yann Sommer reiste direkt nach dem Spiel ab, flog noch am späten Abend von Rom nach Köln zu seiner Familie. Sommer und seine Frau Alina durften sich am späten Mittwochabend über die Geburt ihrer Tochter Nayla freuen.
Weil Sommer doppelt geimpft ist, konnte er bereits wieder in die Schweizer Bubble eintreten, er musste dafür nur einen negativen Corona-Test vorweisen. Er wird also mit der Mannschaft von Rom nach Aserbaidschan fliegen. Einem Einsatz gegen die Türkei im letzten EM-Gruppenspiel am Sonntag (18.00 Uhr) steht damit nichts im Weg.
Hinsichtlich der Qualität denke ich, dass dies das eigentlich Problem ist. Man dachte diese Generation hätte das Zeug zum grossen Ding, dabei hat sie aus meiner Sicht die letzten Jahre massiv an Qualität verloren.
Schau dir ein Rodriguez an, der hinkt seinem ruf Seit 5 Jahren hinterher, kaum noch konstante Leistung...
Shaqiri spielt einfach kaum mehr
Im Sturm fehlt seit Jahren ein Knipser und Goalgetter
In den Klubs sind einige der Start 11 nur Ergänzung, das reicht einfach nicht..
Das einzige das spaltet ist vorallem die Presse, welche sich bei der Jagd nach Klicks unbedeutenden Dingen wie Haaren oder ungesungenen Hymnen bedient.
Die sollen sich einfach wieder bewegen da auf dem Platz!
Gäbe genug Anschauungsunterricht im Moment.
Und bei einem geb ich recht: gebt denen eine Chance, welche auch regelmässig gespielt haben.