Susan B. Glasser gilt als die Grand Old Lady des amerikanischen Politjournalismus. Heute schreibt sie im «New Yorker»:
Worum geht es? Jeder, der in letzter Zeit die USA bereist hat, weiss, dass die amerikanische Infrastruktur in einem jämmerlichen Zustand ist. Das betrifft nicht nur Strassen und Flughäfen. Oft sind die Wasserleitungen in einem derart schlechten Zustand, dass der Genuss von unbearbeitetem Trinkwasser zu einem Gesundheitsrisiko geworden ist.
Dass die USA eine Rundum-Erneuerung ihrer Infrastruktur brauchen, ist daher unbestritten. Auch Präsident Donald Trump wollte einst ein Zwei-Billionen-Dollar-Programm aufgleisen. Zu mehr als grossmäulig angekündigten «Infrastruktur-Wochen» hat es jedoch nie gereicht. Ein solches Programm durch den Kongress zu peitschen, erfordert viel Knowhow und Fleiss – Eigenschaften, die weder Trump noch sein Team auszeichneten.
Joe Biden erklärte zwar in seiner Antrittsrede, dass Überparteilichkeit ein zentrales Element seiner Politik sein werde, doch auch er konnte vorerst nicht mehr als Versprechen und Absichtserklärungen liefern. Sein Gegenspieler, Mitch McConnell, der Anführer der Republikaner im Senat, hatte geschworen, alle überparteilichen Bemühungen der Biden-Regierung mit Zähnen und Klauen zu bekämpfen – und er tat es bisher auch.
Das 1,9-Billionen-Dollar-Covid-Hilfsprogramm konnte Biden daher nur mit einem Trick, der sogenannten Reconciliation, durch den Kongress schleusen. Beim Infrastruktur-Paket schien er zunächst ebenfalls auf Granit zu beissen. Nicht nur die Republikaner schalteten auf stur. Zwei Senatoren in den eigenen Reihen, Joe Manchin und Kyrsten Sinema, weigerten sich, am Filibuster zu rütteln. Damit schien ausgeschlossen, die Vorlage mit einer einfachen Mehrheit durch den Senat zu bringen.
Ausgerechnet Sinema und Manchin haben nun eine führende Rolle beim Aufbrechen der Blockade gespielt. Sie leiteten eine überparteiliche Kommission von je fünf Senatoren der beiden Parteien. Dieser Kommission ist nun gelungen, was niemand für möglich gehalten hat: ein überparteilicher Kompromiss.
Damit hat Biden zwei Fliegen auf einen Schlag erledigt: Er hat nicht nur einen gangbaren Weg zu einem Infrastrukturprogramm gefunden. Er hat auch bewiesen, dass überparteiliches Politisieren selbst im extrem polarisierten Klima von Washington noch möglich ist.
Kein Wunder, trat der Präsident daher bestens gelaunt vor die Medien. «Beide Seiten sind entscheidende Kompromisse eingegangen», erklärte er und fügte hinzu, das erinnere ihn an die Zeit, «wo man im Kongress noch sehr viel erreichen konnte».
Was aber hat Biden nun erreicht? Die gemischte Kommission hat sich darauf geeinigt, in den nächsten acht Jahren rund eine Billion Dollar für die Erneuerung von Strassen, Brücken, etc. bereitzustellen. Mehr als die Hälfte davon ist frisches Geld, also nicht Geld, das bereits für andere Programme gesprochen ist. Das ist zwar bloss die Hälfte dessen, was Biden ursprünglich gefordert hat. Es ist jedoch das bisher grösste Erneuerungsprogramm in der Geschichte der USA.
Das ist längst nicht alles. Biden hat erklärt, er werde dieses Gesetz nur unterschreiben, wenn parallel dazu auch ein zweites Paket mittels Reconciliation vom Senat verabschiedet werde. In diesem Paket, dessen Details noch nicht bekannt sind, sollen soziale Aspekte und der Kampf gegen die Klimaerwärmung berücksichtigt werden. Der Umfang wird mehrere Billionen Dollar umfassen.
Sollte die Verheiratung der beiden Programme gelingen, dann wäre Bidens Triumph vollständig. Nancy Pelosi, Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, nimmt Attribute wie «transformativ, wenn nicht revolutionär» in den Mund. Chuck Schumer, Mehrheitsführer im Senat, spricht von der «mutigsten und kraftvollsten Gesetzgebung, welche dieses Land seit Jahrzehnten gesehen hat».
Bidens Infrastrukturprogramm ist jedoch noch längst nicht in trockenen Tüchern. Es wird sich zeigen müssen, ob zehn Republikaner im Senat zustimmen werden. Ebenso ist unklar, ob Manchin und Sinema ein zweites Mal das Spiel mit der Reconciliation mitmachen werden.
Unbestreitbar ist jedoch, dass der Präsident gewaltig Aufwind erhalten hat. Verweigern die Republikaner ihre Zustimmung, dann tun sie dies gegen den Willen der grossen Mehrheit der Amerikaner, ein politisch äusserst riskantes Manöver.
Traditionell sind die Demokraten ein zerstrittener Haufen. Doch bisher zeigen sie sich erstaunlich geschlossen. Der progressive Flügel meldet keine Opposition gegen den Kompromiss an. Das ist nicht nur der Einsicht geschuldet, sondern auch der politischen Realität. Selbst in der Hochburg der Progressiven, in New York, ist bei den Primärwahlen zum Bürgermeister nicht ein linker Kandidat in Führung, sondern der gemässigte Ex-Polizist Eric Adams.
Das ist ein deutliches Zeichen, dass der Spielraum der Progressiven nach oben begrenzt ist und Forderungen wie «defund the police» («Dreht der Polizei den Geldhahn zu») politischen Selbstmord bedeuten.
Die Republikaner ihrerseits haben eine lausige Woche hinter sich, nicht nur wegen des Infrastruktur-Deals. In New York ist Trumps Anwalt Rudy Giuliani die Lizenz entzogen worden. Mike Pence hat sich derweil weiter von seinem ehemaligen Boss distanziert und erklärt, er sei stolz darauf, dass er am 6. Januar die Verfassung verteidigt habe.
Pat Toomey schliesslich, ein wichtiger republikanischer Senator aus Pennsylvania, erklärte, blinde Loyalität zu Trump werde bei den Zwischenwahlen 2022 ins Desaster führen. «Sollte es sich zeigen, dass Pro-Trump-Kandidaten versagen, dann wäre das eine deutliche Lektion für die Partei», so Toomey. Er selbst wird nicht mehr zur Wahl antreten.
Für Biden ist der Infrastruktur-Deal ein bedeutender Meilenstein in seinem Kampf gegen autoritäre Regimes. «Die Autokraten investieren in grossem Stil», erklärte er. «Wir müssen handeln, und zwar schnell.»
Welch reifes Verhalten. Der Politik der Reps absolut würdig.... es ist schlichtweg nur noch traurig, dass sich eine solche Agenda durchsetzen konnte und die Politiker dahinter tatsächlich Chancen auf eine Wiederwahl haben.