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«Dieser Kahlschlag ist voreilig!» Heftige Kritik an Swiss-Abbauplänen

Interview

«Dieser Kahlschlag ist voreilig!» Heftige Kritik an Swiss-Abbauplänen

780 Angestellte der Lufthansa-Tochter müssen um ihre Zukunft bei der Airline bangen. Mehr als die Hälfte davon arbeitet in der Kabine. Gewerkschaftspräsidentin Sandrine Nikolic-Fuss befürchtet eine Verlagerung nach Deutschland - und stellt Forderungen.
06.05.2021, 12:4207.05.2021, 13:14
Benjamin Weinmann / ch media
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Sandrine Nikolic-Fuss, Präsidentin der Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers, fotografiert am Flughafen Zürich, 12. November 2020.
Sandrine Nikolic-Fuss, Präsidentin der Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers, fotografiert am Flughafen Zürich, 12. November 2020.Bild: Severin Bigler/chmedia

Jetzt ist es klar: Die Swiss plant einen Kahlschlag. 780 Angestellte drohen ihre Stelle zu verlieren. Die Mehrheit davon, 400, in der Kabine. Wie ist Ihre Gemütslage?
Sandrine Nikolic-Fuss: Diese Zahlen sind für das Personal ein grosser Schock. Für viele Kolleginnen und Kollegen beginnt nun eine Zeit der grossen Verunsicherung und der Angst über die persönliche Zukunft. Es ist ein trauriger Tag. Wir sind alle erschüttert über das Ausmass dieser Abbaupläne, auch wenn wir alle wussten, dass es zu Restrukturierungen kommen wird und auch muss.

Das heisst, Sie haben Verständnis für diesen Schritt?
Nein. Klar, es braucht Anpassungen. Aber mit dem Zeitpunkt und mit dem Ausmass davon bin ich überhaupt nicht einverstanden. Der Bundesrat entscheidet demnächst über eine Verlängerung der Kurzarbeit, die aktuell bis Ende August läuft. Sie könnte um bis zu sechs Monate verlängert werden und bis dann könnte es in der Luftfahrt wieder deutlich besser aussehen.

Das ist nicht sicher.
Es gibt einige Indizien, die uns positiv stimmen. Die Impfkampagnen schreiten weltweit voran, und auch in der Schweiz wird bald ein Entscheid über einen Impfpass für das internationale Reisen getroffen. Jetzt diesen Kahlschlag zu verkünden, ist voreilig!

Die Swiss ist unter Zugzwang, sie verliert nach wie vor 2 Millionen Franken pro Tag!
Wie gesagt, dass es Massnahmen braucht, steht ausser Frage. Aber man hätte zuwarten können. Wir hegen deshalb den Verdacht, dass die Swiss und ihre Eigentümerin die Lufthansa nun einfach auf Teufel komm raus die Restrukturierung durchziehen möchten, die ihnen lieb ist. Und dazu gehört die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Deutschland, insbesondere zur billigen Eurowings.

Sie meinen die beiden A330-Flugzeuge der Edelweiss, die zur neuen Eurowings Discover verschoben werden.
Genau. Auch von unserer Schwester-Airline Austrian Airways wurden Flugzeuge nach Deutschland verlagert. Und in ihrem Communiqué kündigt die Swiss zudem an, die Zusammenarbeit mit der Lufthansa deutlich intensivieren zu wollen. Die Swiss droht in dieser Krise somit weiter an Eigenständigkeit zu verlieren.

Was wäre Ihr Vorschlag gewesen?
Die Swiss könnte sich noch stärker auf das Feriengeschäft ausrichten, denn dieses wird in den nächsten Jahren wichtiger sein als die Geschäftsreisen, die wegen der Online-Telefonie nicht wie zuvor zurückkehren werden. Und alleine wird die Edelweiss diese Nachfrage nicht erfüllen können.

Wie geht es nun weiter?
Das Konsultationsverfahren beginnt und da werden wir versuchen, die Zahl der Entlassungen so stark wie möglich zu minimieren. Zum Beispiel durch eine Ausdehnung des Frühpensionierungsangebots. Und wir möchten auch unsere Kolleginnen und Kollegen in den Auslandstationen unterstützen, die heute schon weniger verdienen, in China, Indien und Thailand.

Letztes Jahr hatten Sie mit der Swiss bereits Sparmassnahmen beim Kabinenpersonal in der Höhe von 70 Millionen Franken vereinbart. Ist dieser Abbau darin enthalten?
Nein. Und deshalb werde ich von der Swiss fordern, dass diese Sparpläne rückgängig gemacht werden.

Was Sie freuen dürfte: Die Swiss kündigt an, auch die sogenannte Wetlease-Partnerschaft mit Helvetic Airways zu reduzieren, die Ihnen seit langem ein Dorn im Auge ist.
Es ist aus unserer Sicht unverständlich, dass die Swiss eigene Angestellte entlässt, während sie gleichzeitig weiterhin einen externen Anbieter ohne gesamtarbeitsvertraglich geregelte Arbeitsverhältnisse damit beschäftigt, Flüge für sie durchzuführen.

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