Im Abstimmungskampf um das CO2-Gesetz sorgt eine ungewöhnliche Facebook-Seite für Verärgerung: Mit provokant links-populistisch formulierten Beiträgen wirbt sie für ein Nein – und suggeriert so, dass Klimaaktivistinnen und -aktivisten hinter der Kampagne stecken. Was angesichts ihrer kritischen bis teils ablehnenden Haltung zum CO2-Gesetz nicht überraschen würde.
Auf der Seite liest sich etwa der Satz: «Wir lassen uns mit dem CO2-Gesetz nicht für dumm verkaufen. Es ist ein fauler Kompromiss, der die Klimakrise vollkommen ignoriert! Darum ist das Ja-Komitee auch voller Bonzen mit Millionengehältern.» Als Argument wird der fehlende «Mieter*innen-Schutz» genannt. Empfohlen wird deshalb ein «Nein» zur Vorlage, damit ein «echter Klimaschutz» möglich sei.
Die Facebook-Seite wurde am 9. April dieses Jahres erstellt und hatte am Freitag nur gerade mal 46 «Likes». Einzelne professionell produzierte Videobeiträge wurden jedoch mit grösseren Geldsummen beworben und in den Feeds von Schweizer Facebook-Usern angezeigt. So generierte die Kampagne innert weniger Tage hunderte Kommentare und Shares – ohne dass den Usern klar war, wer hinter der Kampagne steckt.
In der Werbebranche wurde schon länger gemunkelt, dass ein SVP-nahes PR-Büro die Seite erstellt haben könnte. «Dafür spricht schon das gewählte Visual», sagt eine Werberin, die namentlich nicht erwähnt werden möchte. Im Visier steht die Zürcher Werbeagentur Goal AG, die vom «Hauswerber der SVP» Alexander Segert im zürcherischen Andelfingen betrieben wird.
Die Gerüchte bestätigt nun Segert erstmals auf Anfrage von watson. «Ziel des Auftrages ist, das CO2-Gesetz abzulehnen», schreibt der Werber in einer Stellungnahme. Zur Frage, wer jedoch hinter der Kampagne steckt, schweigt er. In seiner Stellungnahme erwähnt er, dass seine Firma von einem «Mitglied/Unterstützer der Klimabewegung» beauftragt wurde. Um welche «Klimabewegung» genau es sich dabei handeln soll, sagt er aber nicht.
Angefragte Aktivistinnen und Aktivisten aus der «Klimastreik»- bzw. «Strike For Future»-Bewegung wissen von nichts – was angesichts deren basisdemokratischer Struktur nichts heissen muss. Es ist deshalb möglich, dass Segert mit «Klimabewegung» etwas anderes meint, als landläufig darunter verstanden wird. Dafür spricht unter anderem das weitere Goal-Engagement im aktuellen Abstimmungskampf.
So beteiligt sich sein Büro beim sogenannten Wirtschaftskomitee «Nein zum CO2-Gesetz», wo neben SVP, EDU und der FDP Basel-Stadt auch zahlreiche Autoverbände sowie SwissOil als Komitee-Mitglieder genannt werden. Die Komitee-Webseite «teuer-nutzlos-ungerecht.ch» verweist für Spenden auf das Konto der «Sammelplatz Schweiz GmbH», wo unter anderem Goal-Geschäftsführer Alexander Segert als Gesellschafter miteinsitzt.
Die Komitee-Webseite ist zudem unter zahlreichen Webadressen erreichbar («missratenes-co2-gesetz-nein.ch» und «co2-gesetznein.ch» in total sechs Variationen), die allesamt im Januar 2021 von der Goal AG registriert wurden. Dies verrät ein Domainhalter-Auszug, den watson gestützt auf ein Einsichtsgesuch von der Auskunftsstelle der Switch GmbH erhalten hat.
Dieses PR-Büro-«Versteckis» ist nichts Neues im schweizerischen Politalltag. Lobbyorganisationen und Kampagnenbüros organisieren regelmässig ganze Online- und Offline-Auftritte im Auftrag von Parteien und Verbänden. Jeweils auf rechter, wie auf linker Seite des Parteienspektrums.
False Flag-Werbung der #SVP-Agentur #Goal: https://t.co/NGfEZpvwsw
— Martin Steiger (@martinsteiger) May 14, 2021
Es wäre jedoch ein Novum, wenn eine radikal links positionierte Bewegung wie die des «Klimastreiks» sich tatsächlich ins gleiche Boot begeben würde wie die kritisierte Öl- und Autobranche. Auf Twitter wird derweil was anderes vermutet: dass es sich bei «FCK off CO2-Gesetz» um eine Aktion unter falscher Flagge handeln könnte.
Gleichzeitig spricht man von Bonzen im Ja-Lager. Die Öl-Branche ist ja im Gegensatz dazu dafür bekannt finanziell permanent am Limit zu laufen.
Selten so gelacht.