Die Klimabewegung radikalisiert sich – und greift selbst die politischen Verbündeten mit scharfen Worten an. «Wir wurden von den linken Parteien benutzt und belogen.» Sie hätten das Blaue vom Himmel versprochen und nichts davon geliefert, sagten Vertreterinnen der Klimabewegung am Dienstag vor versammelten Medien.
Um gehört zu werden, wollen sich die Klimastreikenden von der Politik verabschieden und rufen zu zivilem Ungehorsam auf.
Die Klimaaktivisten nehmen auch Aushängeschilder der Grünen ins Visier. Auf Twitter greift der Klimastreik etwa die Fraktionschefin der Grünen persönlich an. «Alles nur leere Worthülsen?», schreiben die Klima-Aktivisten an die Adresse von Aline Trede.
Hintergrund ist der letzte Woche vorgestellte Klima-Aktionsplan der Grünen, dieser ist den Klimastreikenden zu mutlos. Denn er sieht vor, dass die Schweiz erst ab 2040 und nicht wie gefordert ab 2030 netto null Treibhausgase ausstösst.
Übrigens unterstützte auch @alinetrede, die neue Fraktionspräsidentin der @GrueneCH, damals vor den Wahlen unser Ziel von #NettoNull2030 im Inland in der #KlimaCharta. Alles nur leere Worthülsen? https://t.co/3PmXLVPVUJ
— Klimastreik Schweiz 🔥 (@klimastreik) August 7, 2020
Am Telefon räumt Trede ein, dass sie diese persönliche Attacke «betroffen» macht. Sie setze sich seit ihrer Schulzeit für Klimaschutz ein, habe schon 2006 für ein Offroader-Verbot gekämpft und unterstütze persönlich alle Forderungen des Klimastreiks.
«Man muss sich schon fragen, ob es zielführend ist, wenn der Klimastreik den wichtigsten politischen Verbündeten angreift.» Man müsse gemeinsam kämpfen und weiter «Guzzi» geben, damit die Klimabewegung nicht nur auf der Strassen, sondern auch im Parlament noch mehr Gewicht erhalte. Die Grünen hätten seit jeher verschiedenste Vorstösse im Bundeshaus für mehr Klimaschutz eingereicht. «Man kommt mit Visionen und Vorstellungen ins Parlament. Aber die Realpolitik holt uns immer wieder ein. Uns fehlen nach wie vor die Mehrheiten», so Trede.
Aber warum greift der Klimastreik ausgerechnet jetzt zum verbalen Zweihänder? Die Klimastreiker müssten lauter, frecher und radikaler werden, damit sie nebst der omnipräsenten Pandemie wahrgenommen werden, sagt Lukas Golder, Co-Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern, zu Tamedia. Es bestehe dadurch die Gefahr, dass sie an «Breite und Kraft verlieren.» Ob sie diesen Balanceakt schafften, würde sich in den nächsten Monaten zeigen.
Auch innerhalb der Grünen Partei brodelt es. Die Jungen Grünen etwa kritisierten in einer Medienmitteilung den Klimaaktionsplan der Mutterpartei scharf. Ein Beispiel: «Diese Forderungen sind für uns völlig unverständlich», schreiben die Jungen Grünen etwa auf den Vorschlag der Mutterpartei, dass neue Ölheizungen bis 2030 eingebaut werden dürften. Der Klimaplan gehe definitiv zu wenig weit.
Für Zündstoff bei der ersten Parteiversammlung unter dem neuen Präsidenten Balthasar Glättli ist also gesorgt. Dort diskutieren am kommenden Samstag die Delegierten etwa über den Green New Deal, mit dem laut Mitteilung die «Weichen für eine grüne Zukunft» gestellt werden soll.
Da hängen Arbeitsplätze dran, wird der Eine oder die Andere sagen. Nein, sage ich. Denn bei einem sofortigen Umstieg werden einfach andere die Geschäfte machen und entsprechend Arbeitsplätze schaffen.
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Solange die SP und die Grünen Vorstösse machen und nie eine Mehrheit haben, sind sie auf Kompromisse angewiesen. Beharren auf Maximalforderungen setzt nur noch die ohnehin schon kleinen Schritte in Gefahr. Das ist das Problem.