Noch vor wenigen Jahren war die Entwicklung unvorstellbar. Doch nun beschleunigen die Elektroautos massiv. So sieht es auch Gregor Bucher, der die City-Garage in St.Gallen leitet:
Das Interesse habe im vergangenen Jahr signifikant zugenommen. Das zeigt sich in den Verkaufszahlen alternativer Antriebe. 2020 waren immerhin 6.3 Prozent der verkauften Neuwagen in der Schweiz reine Elektroautos und acht Prozent teilelektrisiert – aufladbare Plug-in-Hybride mit Elektro- und Verbrennungsmotor an Bord. «Der Kunde hat jetzt eine grosse Auswahl an Alternativantrieben», sagt Bucher, der in seiner Garage die Marke Hyundai anbietet, welche die ganze Palette abdeckt: Elektroautos, Plug-in-Hybride, Hybride, Wasserstoffautos und die immer noch weitaus am meisten verkauften Benzin- und Dieselautos.
Elektroautos aber fahren aus der Nische, in der sie über Jahre steckten. Neben der grösseren Auswahl gibt es dafür weitere Gründe: Erstens hat der US-amerikanische Visionär Elon Musk mit seinen Teslas das Batterie-Auto aus der Ökofundi-Falle geholt. Nach dem Motto «Seht her, ein Elektroauto ist schön, extrem schnell, luxuriös und eine teure Exklusivität.» Heute bietet Musk mit dem Tesla Model 3 zudem ein günstigeres Modell für die Masse.
Auch die Stromautos der anderen Marken sehen nun gut aus und kommen, im Gegensatz zu den ersten E-Autos, weiter als 100 Kilometer.
Reichweiten zwischen 300 und 400 Kilometer, die Verschärfung der Klimadiskussion, die politischen Forderungen nach Elektromobilität und die Bussen für jene Marken, deren Autopalette zu viel CO2 ausstösst, haben dem Elektroauto Schub gegeben und dazu geführt, dass inzwischen sehr viele Autohersteller Elektroautos anbieten. Sogar Porsche verkauft mit dem Taycan 4S einen elektrischen Sportwagen, der im Sprint jeden Ferrari stehen lässt.
«Grundsätzlich werden die Marktanteile elektrifizierter Antriebe weiter zunehmen», sagt Christoph Wolnik vom Branchenverband Auto-Schweiz. Von einem starken Wachstum wie 2020 dürfe man aber nicht immer ausgehen. Wolnik:
Für den Autohändler spiele es keine Rolle, ob er ein Elektroauto oder eines mit Verbrennungsmotor verkaufe, erklärt Bucher. Ob für eine Kundin der Umstieg auf ein Stromauto Sinn mache, werde im Beratungsgespräch abgeklärt. Für einen Mieter, der sein Auto auf der Strasse oder in einer Tiefgarage parkieren muss, ist es schwierig oder unmöglich, sein E-Auto zu Hause aufzuladen. Für einen Hausbesitzer ist das kein Problem, er lädt das Auto während der Nacht in seiner Garage und steigt am Morgen in ein vollgetanktes Auto.
Wegen der zeitintensiven Laderei braucht das E-Auto-Fahren etwas Planung. Da Herr und Frau Schweizer im Durchschnitt nur 35 Kilometer pro Tag fahren, sei das für viele aber machbar, sagt Bucher von der City-Garage. Gerade die uneingeschränkte Möglichkeit einer langen Fahrt nach Spanien und das Tanken innerhalb von drei Minuten sind aber entscheidende Faktoren bei der Wahl des Autotyps. Deshalb setzten viele Kunden nach Bucher nicht auf E-Autos, sondern auf Plug-in-Hybride.
Ökologisch macht das Elektroauto gemäss Christian Bauer vom Paul-Scherrer-Institut (PSI) absolut Sinn. Der Forscher hat den «ökologischen Reifenabdruck» der unterschiedlichen Antriebsarten berechnet und über den ganzen Lebenszyklus verglichen.
Dabei machen die Emissionen bei der Herstellung eines Autos einen grossen Teil der gesamten Umweltauswirkungen aus. Später verursacht die Produktion des Stroms oder Treibstoffs Emissionen. Die Gesamtbilanz zeigt, dass die Herstellung der E-Autos die Umwelt zwar mehr belastet als bei Benzin- und Dieselautos. Deren Gesamtbilanz ist aber wegen der Verbrennung des fossilen Treibstoffs während der Fahrt deutlich schlechter. Ein E-Auto erzeugt im Betrieb null Emissionen so wie auch das Wasserstoffauto – eigentlich auch ein E-Auto, das den Strom mit einer Brennstoffzelle im Auto selbst produziert.
Bleibt die Frage, woher der viele Strom kommt, wenn die Energieperspektiven 2050+ des Bundes erfüllt werden sollen. Nach diesen muss der Verkehr bis in 30 Jahren ganz elektrisiert sein. Bei einem weiteren Anstieg des Elektroanteils stellt sich schon früher die Frage, ob genug Strom zur Verfügung stehen wird.
Wichtig für diese Beurteilung ist die Spitzenlast, die gebraucht wird, wenn gleichzeitig viele E-Autos geladen werden. Da brauche es intelligente Steuerung, damit könne ein Blackout vermieden werden, sagt Wolnik. Schwieriger werde das mit dem zusätzlich nötigen Strombedarf. Gemäss Berechnungen der ETH Zürich würde die komplette Elektrifizierung des heutigen Bestands an Personenwagen einen Strombedarf von zusätzlich 14 Terawattstunden auslösen. «Das ist genau ein Viertel des heutigen Stromverbrauchs in der Schweiz und entspricht der jährlichen Stromproduktion von zwei Atomkraftwerken», sagt Wolnik.
Die sollen aber bekanntlich abgeschaltet werden. Die erneuerbaren Energien müssen somit extrem ausgebaut werden, um eine Elektromobilisierung zu ermöglichen. Sie geht in den verschiedenen Ländern unterschiedlich voran. Die Schweiz liegt in Europa über dem Durchschnitt beim Verkauf der Steckerfahrzeuge.
Während in der Schweiz 6.3% E-Autos verkauft wurden, waren es in ganz Europa nur 4.7% E-Autos sowie 4.2% Plug-in-Hybride. Spitzenreiter ist mit Abstand Norwegen, wo die Hälfte aller verkauften Autos 2020 Elektrofahrzeuge waren und dazu noch 23 Prozent Plug-ins. In Norwegen wird die Elektromobilität vom Staat extrem subventioniert. Unterstützung gibt es auch in der Schweiz, ist aber je nach Kanton und Stadt unterschiedlich oder nicht vorhanden. Die Stadt St. Gallen zahlt zum Beispiel einen Förderbeitrag von 4500 Franken.
Die Elektrifizierung verändert auch die Arbeit in den Garagen. Hat ein Verbrennungsmotor 2500 Teile, besteht ein Elektromotor nur noch aus 250. Bucher, der selbst Automechaniker gelernt hat, sieht in dieser Umstellung kein Problem. Aus dem Automech ist vor Jahren der Automechatroniker geworden. Jetzt werde er mit der Digitalisierung zum Hightech-Spezialisten, der an einem Hochvolt-Arbeitsplatz vor allem mit dem Diagnosegerät arbeitet. Da die Benzin- und Dieselautos noch Jahrzehnte auf der Strasse sein werden, müssen die Garagen noch lange doppelspurig fahren.
Das gilt auch für den Autoverkäufer, der sowohl zum Verbrenner als auch zur Ladeinfrastruktur und zur Batterie Auskunft geben muss – über das Problem der seltenen Metalle, des Recyclings und der Haltbarkeit. Immerhin sollte gemäss dem PSI-Forscher Christian Bauer nach den gemachten Erfahrungen eine Batterie so lang leben wie das Elektroauto selbst. Und wenn Buchers Vision wahr wird, dass man sein E-Auto einfach nur auf den Migros-Parkplatz stellen muss und es da über Induktion automatisch geladen wird – dann wird das Elektroauto die Alltagstauglichkeit endgültig erreicht haben. (chmedia.ch)
Kürzlich machte K-Tipp bei Handys einen Vergleich zwischen dem Laden via Stecker und über Induktion:
Beim kabellosen Laden verpufft mehr als ein Drittel des Stroms als Abwärme. Das Laden des mit dem normalen Netzteil benötigte 21 Wattstunden (Wh) Strom. Beim kabellosen Laden waren es 29 Wh – 38% mehr. Auf der Scheibe war es erst nach über 4h voll geladen und dies nur, wenn es ganz genau korrekt platziert wurde. Mit dem Ladekabel dauerte die Vollladung nur 1h...