Die Euphorie in Rom war gross, als der neue Mann an der Seitenlinie vorgestellt wurde. Die Nachfolge von Paulo Fonseca, dessen Vertrag bei AS Rom im Sommer ausläuft, übernimmt kein Geringerer als der «Special One» – José Mourinho.
Beim AS Rom erhofft man sich durch die Verpflichtung vom Welttrainer des Jahres 2010 so einiges. Der Klub wurde im Juni 2020 vom US-amerikanischen Milliardär Dan Friedkin gekauft. Für diesen ist die Verpflichtung Mourinhos ein Coup, der Portugiese ist noch immer eine Marke und verspricht dem Klub mehr mediale Aufmerksamkeit. Diese Strahlkraft ist Rom nach dem Rücktritt von Vereinslegende Francesco Totti etwas abhandengekommen.
Nun soll der 58-Jährige einerseits die Strahlkraft zurückbringen, aber andererseits auch den Erfolg in der Hauptstadt wieder herstellen. Seit 2001 wartet AS Rom auf einen Meistertitel, 2008 gelang immerhin noch der italienische Pokalsieg. Friedkin erwartet von seinem neuen Trainer langfristigen und konstanten Erfolg. Mourinho habe überall Trophäen gewonnen und stehe für Leadership und Erfahrung in ihrem ehrgeizigen Projekt. Zudem konnte der Teambesitzer auch die Fans hinter sich versammeln, die den Neuzugang auf dem Trainerposten begrüssen.
Doch ist die Euphorie berechtigt? Zuletzt war José Mourinho aufgrund enttäuschender Leistungen und ausbleibendem Erfolg bei Tottenham entlassen worden. Für Langfristigkeit war der Portugiese noch nie bekannt. Nur selten erfüllte er seinen Vertrag, zu oft überwarf er sich mit seinen Spielern und verlor deren Vertrauen. Seit er mit Inter Mailand 2010 die Champions League gewann und dann nach Real Madrid wechselte, ging es langsam aber stetig bergab.
Zwar gewann er überall Titel, mit Madrid und Chelsea wurde er Meister, mit Manchester United gewann er die Europa League, doch er blieb insgesamt immer hinter den Erwartungen zurück. In der Champions League kam er nicht mehr über das Halbfinale hinaus und bei Tottenham wurde sein aus der Zeit gefallener Stil offensichtlich und ihm zum Verhängnis.
Hatte er bereits in Madrid Probleme mit Spielern wie Iker Casillas und Sergio Ramos, fiel es ihm immer schwieriger, eine gute Beziehung zu den vor allem jungen Spielern aufzubauen. Paul Pogba, der in Manchester unter Mourinho gespielt hat, äusserte sich zuletzt zu seinem ehemaligen Trainer: «Er stellt sich gegen Spieler und gibt ihnen das Gefühl, nicht mehr zu existieren.» Bei den «Spurs» waren es unter anderem Dele Alli und Harry Winks, die Mourinhos Verhalten als befremdlich empfanden. Am Ende scheiterte der Portugiese oft an den zwischenmenschlichen Beziehungen, doch in London war das letztendlich nur der Genickbruch für den neuen Rom-Trainer.
Die Probleme lagen viel tiefer. Sein Spielstil passte nicht zum unter Pochettino offensiv aufspielenden Team von der White Hart Lane. Die Taktik war fast nur darauf ausgelegt, den Gegner zu stoppen und nicht auf den eigenen Ballbesitz. Eine generelle Spielphilosophie wie beim Vorgänger fehlte, die Spieler vergassen vor lauter Fixierung auf den Gegner, sich auf ihr eigenes Spiel zu fokussieren. Der Angriff basierte noch immer auf den Ideen vom Argentinier, da Mourinho kaum neue Offensivspielzüge einbrachte.
Der Trainer habe die Kultur aus dem Klub gesaugt und zerstört, wofür Tottenham jahrelang stand, sagte eine Quelle aus der Kabine der Spurs gegenüber «The Athletic». In der Hinrunde konnte das durch den Erfolg und Platz 1 in der Premier League vor allem durch die Offensivkräfte Harry Kane und Heung-Min Son überspielt werden – mit der Negativserie im Frühling wurde Mourinho jedoch untragbar. Bei ausbleibendem Erfolg wiegt der unattraktive Spielstil des 58-Jährigen zu schwer.
Zudem gefielen dem Team die Trainingsmethoden des Portugiesen nicht. Das Training sei langweilig und nicht fordernd genug gewesen. Mourinho schaffte es mit seinen Methoden nicht, das Beste aus seinen Spielern zu holen und blieb so hinter seinen Erwartungen zurück. Auch die ständige, öffentliche Kritik an den Spielern fruchtete bald nicht mehr. Zunächst funktionierte das Anstacheln durch konfrontatives Kritisieren noch, wie Eric Dier erzählte. Doch je mehr der Trainer seine Mannen öffentlich kritisierte und die Verantwortung für die schwachen Leistungen von sich wies, desto mehr stumpften diese ab und zeigten immer weniger die gewollte Reaktion. Die Spieler wurden der Art des «Special One» zu kommunizieren müde und folgten seinen Anweisungen nicht mehr.
Dennoch erhält er in Rom kurz nach seiner Entlassung in London eine neue Chance ab Sommer. Doch eines ist klar – AS Rom ist für den zweifachen Champions-League-Sieger ein Rückschritt. In der Premier League hätte er wohl kein Jobangebot bekommen, das seinen Ansprüchen genügt. Nach Deutschland und Frankreich wollte er nicht, da es dort keinen richtigen Wettbewerb gebe. Jedoch darf man bezweifeln, dass Bayern oder PSG überhaupt Interesse an dem 58-Jährigen gehabt hätten.
Nun kehrt Mourinho nach Italien zurück – den Ort, wo er mit Inter Mailand und der Triple-Saison 2010, wohl die erfolgreichste Zeit seiner Karriere erlebte. Nur geht er nicht zum Serienmeister Juventus Turin, wo Andrea Pirlo wackelt – und auch nicht zum neuen Meister Inter Mailand, wo Antonio Contes Zukunft unsicher ist. Mourinho geht zum in den letzten Jahren glanz- und erfolglosen AS Rom.
Dort soll er beweisen, dass er noch ein Erfolgsgarant sein kann und dem Hauptstadtklub einen Teil der Strahlkraft aus Tottis Tagen zurückbringen. Und vielleicht passt es ja gerade deshalb am Ende richtig gut – sowohl José Mourinho als auch Rom erwarten mehr von sich als sie in den letzten Jahren erreichen konnten und nun haben sie gemeinsam die Chance, dies auch den anderen zu beweisen.