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Wirtschaft

PMT Schweiz: Sieg und Risiko für Justizministerin Keller-Sutter

Offen gesagt

«Liebe Frau Keller-Sutter, probieren Sie einmal etwas Neues ...»

Das PMT ist erwartungsgemäss angenommen worden. Wie fast alle Anti-Terrorgesetze unter der Vorspiegelung falscher Hoffnungen. Die Justizministerin könnte sich mit dem neuen Gesetz trotzdem ein Denkmal setzen.
13.06.2021, 15:5814.06.2021, 08:32
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Liebe Frau Keller-Sutter

Gesetze zur Überwachung und Prävention, die unter dem Label Terrorismus-Bekämpfung eingeführt werden, gibt es weltweit unzählige. Nun hat auch die Schweiz ein neues. Zusätzlich zum Nachrichtendienstgesetz von 2017 ist heute auch das PMT angenommen worden.

Dazu ist Ihnen zu gratulieren. Die Annahme der Polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) ist ein politischer Sieg für Sie an der Urne und zwar ein glanzvoller. Geniessen Sie den.

Danach aber besinnen Sie sich rasch darauf, dass solche Gesetze mittel- und langfristig immer auch ein Risiko sind für diejenigen, die sie schaffen. Und das aus zwei Gründen:

Einerseits ist das Versprechen der Gefahrenabwehr hohl. Terrorismus-Bekämpfung rettet fast keine Menschenleben. Schlicht und einfach, weil Terror-Akte fast keine Menschenleben kosten. Jedenfalls nicht im Vergleich zu Tabak, Alkohol, Zucker oder Verkehrsunfällen.

Ironischerweise rettet so das strenge, aber unspektakuläre Gesetzespaket Via Sicura aus der Ära des feinfühligen Sozialdemokraten Moritz Leuenberger garantiert mehr Menschenleben als alle Antiterrorismus- und Abhörgesetze bürgerlicher Hardliner zusammen. Und falls sie das doch einmal tun, haben Letztere nichts davon, weil niemand etwas davon mitkriegt.

Andererseits ist das Missbrauchspotential solcher Möglichkeiten für Geheimdienste und Strafverfolger nicht zu unterschätzen. Im besten Fall werden solche Instrumente einfach für ergiebigere Kriminalitätsfelder zweckentfremdet.

Zur Terrorbekämpfung beworbene Überwachungsmöglichkeiten werden, einmal implementiert, in der Regel hauptsächlich in der Abwehr von Wirtschaftsspionage und im Kampf gegen den Drogenhandel genutzt.

Grundrechtseinschränkungen aus vorgeblichen Sicherheitsgründen sind dagegen nützlich zur Drangsalierung und Kriminalisierung nicht genehmer gesellschaftlicher oder politischer Zielgruppen. Und das ist dann der schlechtere Fall.

Nun haben Sie beides: Ein Nachrichtendienstgesetz, das dem Geheimdienst sehr weitgehende Abhörmöglichkeiten einräumt. Und ein Antiterror-Gesetz, das der Bundespolizei aufgrund geheimdienstlich gewonnener Informationen ermöglicht, aussergerichtlich die Rede- und Bewegungsfreiheit von Individuen einzuschränken.

Unter diesen historischen Vorzeichen wäre es eine Weltneuheit, wenn wir es schaffen würden, das PMT wirklich nur für den Zweck einzusetzen, für den es beworben worden ist: Die Radikalisierungsprävention innerhalb fundamentalistisch-islamistischer Gruppierungen.

In diesem Sinne: Probieren Sie einmal etwas Neues!

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

Hochachtungsvoll

Ihr Maurice Thiriet

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80 Kommentare
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Wellenrit
13.06.2021 16:12registriert Juni 2020
Ich freue mich schon wenn dieses Gesetz gegen die Klima Jugend eingesetzt wird! Was wäre dann das göttliche wir zerstören ihre Renten lehnen ihre CO2 Reduktion ab mit der Begründung es könnte was kosten das vergiften der Böden nicht zu vergessen und dann kriminalisieren wir sie auch noch 😬 stolz auf die Schweiz war ich das letzte mal vor 10 Jahren das heute ist nur noch ein zerstören von Grundrechten!
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Bearwithme
13.06.2021 16:21registriert Januar 2017
Bin enttäuscht über den Ausgang dieser Abstimmung.

Manche haben wohl nach dem Motto wer nichts zu verbergen hat hat auch nichts zu befürchten abgestimmt. Das das das selbe ist wie ich brauche die Meinungsfreiheit nicht weil ich nichts zu sagen habe ist ihnen dann wohl nicht aufgefallen.
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raues Endoplasmatisches Retikulum
13.06.2021 16:22registriert Juli 2017
Das Ja zum PMT und insbesonders die Unterstützung aus der FDP zu diesem schändlichen Gesetzt ist ein Armutszeugnis für den Zustand des liberalen Gedankengut in diesem Land.
Die Law and Order-Fraktion kann durchregieren, und KKS ist einer der Galionsfiguren.
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