US-Präsident Joe Biden feierte die Lockerung der Maskenpflicht für Geimpfte wie einen Sieg über die Pandemie. In den USA muss, wer zweimal gegen Corona geimpft ist, nur noch in engen Verhältnissen Mund und Nase bedecken, etwa in Zügen oder Flugzeugen.
Nun macht die SVP Druck auf den Bundesrat, damit dies auch in der Schweiz passiert. Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher hatte am 12. April 2021 bereits einen Vorstoss eingereicht, in dem es um die Aufhebung der Maskenpflicht für Geimpfte ging. Am Dienstag kommt es in der Wirtschaftskommission des Nationalrates nun zum Showdown. Die SVP will einen Paragrafen ins Covid-19-Gesetz einbauen, der geimpfte und genesene Personen per 21. Juni 2021 von der Maskenpflicht befreit. Just dann hat Gesundheitsminister Alain Berset einen seiner selten Auftritte in der Kommission.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Kommission dafür ausspricht, ein fixes Datum ins Gesetz zu schreiben. Im Februar beantragte sie ein fixes Öffnungsdatum für Beizen, scheiterte damit aber im Parlament. Als Begründung heisst es im SVP-Antrag, dass Geimpfte und Genesene das Virus nur in ganz wenigen Fällen übertragen.
Dass die in der Schweiz eingesetzten Impfungen vor Wiederansteckung gut schützen, ist vielfach belegt. So führte etwa die US-Gesundheitsbehörde CDC zwischen Dezember 2020 und März 2021 eine Studie mit 3950 Teilnehmern durch. Sie wählte Versuchspersonen aus, die berufs- oder aufgabenbedingt viele Kontakte haben wie Menschen in Gesundheitseinrichtungen oder Schalter- und Kassenpersonal.
Das Ergebnis: Das Risiko einer Ansteckung wurde um 90 Prozent (zwei Wochen nach der zweiten Dosis) und mindestens 80 Prozent (zwei Wochen nach der ersten Dosis) gesenkt. Die Probanden wurden einmal in der Woche PCR-getestet. Von den verbliebenen Ansteckungen verliefen 10.7 Prozent völlig asymptomatisch, und 58 Prozent wurden erkannt, bevor die Symptome auftraten.
Noch nicht geklärt ist die Frage: Können Geimpfte das Virus noch weitergeben? Die Antwort ist leider wahrscheinlich nicht strikt: «Nein», sondern: «Ja, sie können» – wenn auch die Fälle sehr selten und kaum gefährlich sind. Denn die Virenlast ist bei positiv getesteten Geimpften in fast allen Fällen markant kleiner als bei Ungeimpften. Deshalb werden sie wohl nicht mehr krank und dürften auch als Weiterverbreiter nicht mehr so leicht in Frage kommen wie Ungeimpfte.
Der Bundesrat schlug diesen Mittwoch den Kantonen vor, Geimpfte und Genesene von der Quarantänepflicht auszunehmen. Von den Hygienemassnahmen dispensieren, will er sie aber zurzeit nicht.
Der Grünliberale Martin Bäumle wäre grundsätzlich offen für eine Befreiung der Geimpften von der Maske, allerdings erst, wenn alle die Chance gehabt haben, sich zu impfen, und wenn die Inzidenz sehr tief ist. Bäumle sagt:
Tatsächlich liegt die Schweiz beim Impfen weit hinter den USA zurück, wo jeder Dritte vollständig geimpft ist, in der Schweiz etwa jeder Achte. Seit Mittwoch kam es zudem zu 2300 Ansteckungen in der Schweiz.
Doch auch wenn alle sich impfen konnten, sieht Bäumle grosse Schwierigkeiten. Er sagt:
Er denkt dabei etwa an Zugfahrten, wo ein grosser Aufwand betrieben werden müsste, um festzustellen, wer geimpft ist und wer nicht. «Es kann ja nicht sein, dass jeder Kontrolleur auch noch Impfzertifikate kontrollieren muss», sagt Bäumle.
Dagmar Jenni, Geschäftsführerin des Detailhändlerverbandes Swiss Retail, hält eine Befreiung von Geimpften von der Maskenpflicht in Läden für «nicht praktikabel». Es sei fürs Personal ein nicht zumutbarer Aufwand, zu kontrollieren, ob jemand geimpft ist.
Jenni vergleicht die Situation mit den Masken-Dispensen, wo der Verband den Mitgliedern empfahl, vom Hausrecht Gebrauch zu machen und nur Kunden mit Masken in den Laden zu lassen. Ähnlich würde Swiss Retail aus heutiger Sicht vorgehen, wenn jetzt die Maskenpflicht für Geimpfte gelockert würde. Hinzu komme, dass heute nicht einmal ein Covid-19-Zertifikat vorliege. (aargauerzeitung.ch)