Lieber Herr Berset
Was für eine politische Horrorwoche diese vergangenen fünf Tage für Sie hätten werden können!
Sie mussten sich als «Diktator» vom Parlament das umfassende Ende der Pandemie am 22. März ansagen lassen. Sie mussten sich von der Zürcher Gesundheitsdirektorin herunterputzen lassen, weil zu wenig Impfdosen zur Verfügung stehen. Und obendrauf verkündete Ihr BAG auch noch öffentlich, von Massenselbsttests sei man jetzt nicht über die Massen begeistert, weil die das Monitoring der Pandemie erschwerten.
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Derweil stieg der R-Wert schweizweit wieder über 1, der Fallzahlen-Sinkflug der letzten Wochen nahm definitiv ein Ende.
Für alles tragen Sie die politische Verantwortung zumindest mit. Die Skiterrassen hätte man Skiterrassen sein lassen können, den Impfstoff-Einkauf hätte man zur Chefsache erklären können und BAG sowie Swissmedic hätte man in den entscheidenden Momenten den «Gäng wie gäng»-Modus austreiben sollen.
Die Fehlkommunikation aus dem Parlament wäre ausgeblieben, die Impfquote sähe besser aus und früher zugelassene Schnelltests könnten das Risiko der Mutanten-/Öffnungen-Kombo bereits jetzt abfedern.
Dass das alles nicht passiert ist, hätte in einer der schwärzesten Wochen Ihres Politikerlebens kristallisieren können.
Doch nun, am Freitag, ist Ihnen und dem Bundesrat ein Befreiungsschlag gelungen, ein veritabler Coup: Fünf Tests pro Person und Monat inklusive Grenzgängern, Pool-Tests für Firmen und Organisationen und eine Milliarde Budget zur Kostenübernahme bis Ende Jahr. Damit gehört die Schweiz ab April mit zu den am konsequentesten durchgetesteten Ländern der Welt.
Die Politik hält damit zum allerersten Mal in der hiesigen Pandemiebekämpfung den hohen Erwartungen der Bevölkerung stand, die diese an ihr Land hat – und als einen der reichsten Pharma- und Wissenschaftsstandorte der Welt auch haben darf.
Kein föderal austariertes Geschmürzel ist das, sondern mit der grossen Kelle angerührt. Mit der «Bazooka» geschossen ist das, um ein Zitat des deutschen Wirtschaftsministers zu bemühen.
Mit der bisher ausbleibenden mutantenbedingten Explosion der Fallzahlen, dem anstehenden Frühling und der angekündigten Testoffensive verbreitet eine Bundesrats-Medienkonferenz zum ersten Mal seit langem Hoffnung.
Das ist ein kommunikativer Turnaround, wie er im Handbuch für Krisenmanagement beispielhaft aufgeführt ist.
Herzliche Gratulation und erholsames Wochenende!
Hochachtungsvoll
Maurice Thiriet
Und was ich mir nicht verkneifen kann: Der Beginn hat Graubünden und das Engadin gelegt, ein Beispiel, wie der Föderalismus auch in Corona-Zeiten hilfreich sein kann.