Immer wieder «Schweizerhof». Ende August, so berichten Beobachter, steckten Michael Lauber und Niklaus Oberholzer im Berner Nobelrestaurant die Köpfe zusammen. Der abtretende Bundesanwalt also und sein ehemaliger Chefaufseher, der von 2015 bis 2018 als Bundesrichter die Aufsichtskommission über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) präsidiert hatte.
Oberholzer galt als kollegialer Aufseher, man soll die Aufsichtssitzungen unter vier Augen vorbesprochen haben. Erst als 2019 der ehemalige Zuger Regierungsrat Hanspeter Uster (Grüne) das Präsidium übernahm, schaute die AB-BA genauer hin.
Auch auf Laubers seltsame Methoden, die in den nicht protokollierten «Schweizerhof»-Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino gipfelten. Das war der Anfang vom Ende von Lauber als Bundesanwalt, durch Kündigung kam er der Amtsenthebung durch die Bundesversammlung zuvor.
Oberholzer (67, SP) ging Ende 2019 in Pension, er war sieben Jahre Richter gewesen. Jetzt ist der St.Galler wieder beruflich aktiv. Er hat Anfang 2020 ein «Beratungsbureau für juristische Dienstleistungen im Bereich des Strafrechts und des Strafprozessrechts eröffnet», wie er sagt. Wer auf seiner Website nach unten scrollt, der sieht auch, mit wem Oberholzer zusammenarbeitet: mit der Anwaltskanzlei CaptZollinger Rechtsanwälte in Wetzikon ZH.
CaptZollinger ist die Kanzlei eines alten Bekannten von Oberholzer und auch von Lauber: David Zollinger, ehemaliger Zürcher Staatsanwalt, Wegelin-Banker und von 2011 bis 2016 Mitglied der AB-BA. Anders gesagt: Als Lauber seine Geheimtreffen mit Infantino abhielt, waren Oberholzer und Zollinger am AB-BA-Ruder.
Just diesen David Zollinger, der mit Oberholzer kooperiert, hat sich Fifa-Chef Gianni Infantino vor Monaten als Anwalt im Strafverfahren um die «Schweizerhof»-Treffen genommen.
Die AB-BA unter Oberholzers Nachfolger Hanspeter Uster (Grüne) spielt eine zentrale Rolle in den zusammenhängenden Strafverfahren gegen Lauber und Infantino. Sie hatte das Disziplinarverfahren gegen Lauber eröffnet, das dessen erzwungenen Abgang einleitete. Und sie hat den Obwaldner Richter Stefan Keller (SP) ausgewählt, der im Auftrag der Bundesversammlung untersucht, ob Lauber und Infantino im «Schweizerhof» Gesetze verletzten.
Es geht um Amtsgeheimnisverletzung, Amtsmissbrauch, Begünstigung sowie, im Fall von Infantino, um Anstiftung. Infantino könnte, was er bestreitet, bei den Treffen Vorteile für sich herausgeholt und Dinge erfahren haben, die er nicht hätte erfahren dürfen.
Das ausgerechnet Oberholzer im Infantino-Umfeld auftaucht, ist brisant. Die Frage, ob er an der Seite von Zollinger oder anderweitig rund um die Strafverfahren mitarbeite, beantwortet Oberholzer nicht: «Über Art und Inhalt der von mir bearbeiteten Mandate kann ich Ihnen keine Auskunft erteilen.»
Er fügt bei: «Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass ich mir der Bedeutung des Amtsgeheimnisses aus meinen früheren Tätigkeiten bei Gerichten und staatlichen Behörden - sei es am Kantonsgericht St. Gallen, am Schweizerischen Bundesgericht oder bei der AB-BA - bewusst bin.»
Das klingt so, als wäre Oberholzer tatsächlich involviert.
Verärgert reagiert der Zürcher Kommunikationsberater Aloys Hirzel (Hirzel Neef Schmid Konsulenten), in Infantinos Diensten, auf die Frage, ob Oberholzer für die Fifa oder Infantino tätig sei: «Nein, Herr Oberholzer hat weder von der Fifa noch vom Präsidenten ein Mandat.» Auf den anderen Teil der Frage, ob Oberholzer via Zollingers Mandat für Infantino arbeite, geht Hirzel nicht ein.
Eine alte Seilschaft ist am Werk. Im September 2019, als Lauber wegen des Disziplinarverfahrens die Abwahl drohte, kam ihm sein Supporter Oberholzer zu Hilfe. Er pfuschte der AB-BA und seinem Nachfolger Uster insbesondere dadurch ins Handwerk, indem er sich vor der SVP-Fraktion zur Kontroverse äusserte. Die SVP, zuvor überraschend gegen Lauber, stand danach wieder hinter ihm.
Für Infantino geht es ums Überleben als Fifa-Chef. Letzte Woche ging er in die Interview-Offensive. Was im «Schweizerhof» geschehen ist, daran aber mag er sich, gleich wie drei weitere Teilnehmer, angeblich nicht mehr erinnern.
Ob Sonderermittler Keller dem Gedächtnis des Quartetts auf die Sprünge helfen kann, wird sich zeigen. Bei «Gredig direkt» sagte Infantino zum Schluss: «Ich hoffe, dass ich noch einen Moment bleiben kann.»
Das klang nicht so, als hätte er gute Karten in der Hand. (aargauerzeitung.ch)