Klar, wer die grosse Figur beim 6:2-Sieg der Chicago Blackhawks gegen die Detroit Red Wings am Sonntagabend (Schweizer Zeit) war: Pius Suter. Der Center, der im ersten Sturm zwischen den Superstars Patrick Kane und Alex DeBrincat ran durfte, schoss die Hälfte der Treffer des Heimteams.
In der 5. Minute die Premiere: Suter traf beim 1:0 erstmals in der besten Eishockey-Liga der Welt. «Ich war wirklich glücklich, dass ich endlich ein Tor erzielen konnte», sagte der 24-Jährige danach. In den ersten fünf Einsätzen blieb die Neuverpflichtung von den ZSC Lions noch torlos.
And on national TV, too!
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Congrats on @NHL Goal No. 1, No. 2 and No. 3 Pius Suter 🎉#Blackhawks pic.twitter.com/uQC59sOVxE
Es dauerte nicht lange, ehe Suter nachlegte, er erzielte auch das 2:0 nach zehn Minuten. «Das erste Tor machte es mir einfacher», erklärte er. Von Druck befreit habe er sich gedacht: «Jetzt muss auch noch ein drittes Tor her.»
Gedacht – getan. Suter, der zu einigen weiteren Chancen kam, konnte eine davon nutzen. In der 53. Minute war sein Hattrick mit dem Tor zum 5:2 komplett. Einen raschen Gegenstoss schloss Suter selber ab, anstatt noch zu passen. «Ich habe natürlich geschaut, ob ich besser abspielen soll, aber der Verteidiger blieb da und so entschied ich mich, abzudrücken. Das Selbstvertrauen hilft einem natürlich in so einer Situation, wenn du schon zwei Treffer erzielt hast.» Seinem Coach gefiel das. «Viele Spieler würden in der Situation lieber zu Patrick Kane spielen», sagte Jeremy Colliton. «Es ist ein gutes Zeichen, dass er es sich zugetraut hat, selber zu schiessen.»
A game he'll never forget 🤠 Relive Pius Suter's first NHL hat trick!@Enterprise | #Blackhawks pic.twitter.com/GiZPOUz5KE
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Er habe nach dem frühen Doppelschlag mit einem Hattrick geliebäugelt, gab der Liga-Topskorer der abgebrochenen National-League-Saison 2019/20 zu. Wenn das zweite Tor so früh falle, wisse man umso mehr um die Bedeutung eines dritten Treffers. «Ich hatte einige Möglichkeiten und schliesslich klappte es. Ein grossartiges Gefühl! Ich hatte Spass und das verlieh mir Selbstvertrauen.»
In der NHL, in der statistisch alles und noch ein bisschen mehr festgehalten wird, konnte Suter die Bedeutung seines Hattricks schon kurz nach dem Spiel erfahren. Er ist erst der zweite Spieler nach Art Somers 1929, dem in einer der ersten sechs Partien für die Blackhawks ein Hattrick gelang. Und ebenfalls schon rund 90 Jahre ist es her, seit 1933 zum bisher einzigen Mal ein Chicago-Spieler seine ersten drei NHL-Tore im gleichen Spiel erzielte: Bill Kendall heisst Suters Vorgänger.
Erstmals überhaupt in der NHL zu treffen und dann gleich dreifach – das gelingt nicht vielen Spielern. Pius Suter ist erst der zehnte Akteur, der das in den letzten drei Jahrzehnten schaffte. Verrückt: Er ist nicht der einzige frühere Spieler der ZSC Lions auf dieser kurzen Liste. Denn angeführt wird diese von Auston Matthews, der bei seinem denkwürdigen NHL-Debüt im Oktober 2016 gleich vier Tore schoss. Klar übrigens, dass sie in Zürich mächtig stolz auf ihren «Piiiius» sind:
Time has changed 👶🏻👦🏻
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Euse Piiiius hät hüt sini Goal-Premiere fürd @NHLBlackhawks ide NHL gfiiret! Und dänn gad nomal eini ieghaue 😎
Herzlichi Gratulation!
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Zuletzt schaffte es Ryan Poehling auf diese Liste: Im April 2019 schoss er in seinem ersten NHL-Spiel drei Mal aufs Tor, drei Mal ging der Puck rein. Während Matthews von den Toronto Maple Leafs auf Anhieb ein Superstar wurde, muss sich Montreals Poehling noch gedulden: Nach seinem Hattrick im ersten Spiel erzielte er in der Saison darauf in 27 Einsätzen ein einziges Tor. Suter hofft selbstredend, nun regelmässig zu skoren.
Auch der Russe Alexei Jegorow schoss seine ersten drei NHL-Tore im gleichen Spiel – und danach kein weiteres mehr. Nachdem ihm der NHL-Durchbruch nicht gelang, kehrte er in die Heimat zurück, spielte auch in der DEL und wurde nur 26 Jahre alt. Er starb nach einer Schlägerei mit Drogendealern.
Zurück zu erfreulicherem. Zum Beispiel dazu, dass die NHL Suter als ihr jüngstes Aushängeschild betrachtet. Er ziert aktuell das Titelbild auf dem Twitter-Account der Liga. Suter, der Posterboy, Pius Suter Suterstar:
Suter ist erst der dritte Schweizer, dem in der NHL ein Hattrick gelang. Seine Vorgänger sind Nino Niederreiter (2014 und 2018) und Timo Meier (2019). «Das wusste ich nicht», sagte Suter darauf angesprochen und meinte: «Das ist natürlich ein schöner Klub.»
Chicagos Headcoach Jeremy Colliton dürften solche Statistiken ziemlich egal sein. Viel mehr als die Vergangenheit beschäftigen ihn Gegenwart und Zukunft. «Er hatte ein sehr starkes Spiel», lobte Colliton Suter. Er habe in der vergangenen Saison viele Videos von ihm gesehen, als die Blackhawks versuchten, den Schweizer zu sich zu lotsen. «Er skatet jetzt noch besser und ist noch wendiger geworden.» Colliton beschreibt Suter als «sehr intelligenten Spieler», der rund um das Tor sehr gut spiele. «Und seine läuferischen Qualitäten erlauben es ihm, das Spiel zu lenken, durch die neutrale Zone und aus dem eigenen Drittel zu kommen.»
"A lot of positives for us recognizing that we gotta keep getting better. We certainly can't get satisfied, but today we can be happy."
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Coach Colliton on today's 6-2 win. #CHIvsDET pic.twitter.com/AI6rywZVOH
Colliton durfte sich auch über die Leistung seines zweiten Schweizer Spielers freuen, denn auch Philipp Kuraschew traf. Mit seinem Treffer zum 6:2 setzte er den Schlusspunkt. «Er war wieder sehr stark», lobte ihn der Coach. «Mich beeindruckt besonders seine läuferische Qualität. Er ist ständig in Bewegung und hat in den letzten Wochen wirklich grosse Schritte nach vorn gemacht.»
Just reliving Kurashev's individual effort on this play like 🍿🍿🍿#Blackhawks pic.twitter.com/2y9kUrsy6K
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Für Chicago war es der zweite Sieg in der sehr ausgeglichenen Central Division, in der Stanley-Cup-Titelverteidiger Tampa Bay Lightning drei Siege auf dem Konto hat und alle anderen sieben Teams jeweils zwei. Allerdings hat niemand mehr Spiele bestritten als die Blackhawks (sechs wie Columbus und Detroit), während etwa Dallas und Florida erst zwei Partien ausgetragen haben.
Für Pius Suter, Philipp Kuraschew und ihre Teamkollegen geht es nun nach Nashville. Dort kommt es am Dienstag und Mittwoch zu zwei Begegnungen mit den Predators. Und irgendwann werden die NHL-Teams auch wieder vor Fans spielen können. Die «Chicago Tribune» hielt bei allem Jubel fest: «Ein Hattrick, ohne dass Hüte aufs Eis fliegen, in einem praktisch menschenleeren Stadion, war ein wenig surreal.»