Nach heftigen Zusammenstössen in Jerusalem hat der militärische Flügel der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas Israel am Montag ein Ultimatum gestellt.
Ein Sprecher der Organisation in Gaza forderte, Israel müsse bis 18.00 Uhr Ortszeit (17.00 MEZ) alle Polizisten und Siedler vom Tempelberg (Al-Haram al-Scharif/Das edle Heiligtum) sowie aus dem Viertel Scheich Dscharrah in Ost-Jerusalem abziehen. Ausserdem müssten alle im Rahmen der jüngsten Konfrontationen festgenommenen Palästinenser freigelassen werden. Es handele sich um eine Warnung.
Am Nachmittag schlugen in der Umgebung von Jerusalem Raketen ein. Die israelische Armee teilte mit, es seien sieben Raketen abgefeuert worden. Eine davon habe die Raketenabwehr abgefangen. In Jerusalem und anderen Städten wurde Luftalarm ausgelöst. Die radikal-islamische Hamas bekannte sich zu einem Raketen-Angriff. Berichte über Schäden oder Verletzte lagen zunächst nicht vor.
Ein Hamas-Sprecher sagte, man habe als «Botschaft» an den israelischen Feind Raketen auf Jerusalem gefeuert. Es handele sich um eine «Reaktion auf seine Verbrechen und Aggression gegen die heilige Stadt» sowie auf Israels Vorgehen auf dem Tempelberg und in Scheich Dscharrah.
Zuvor hatte die Stadt Aschkelon am Mittelmeer aus Sorge vor neuen Raketenangriffen aus dem Gazastreifen ihre öffentlichen Luftschutzräume geöffnet. Ausserdem seien die Routen der internationalen Flüge vom Flughafen Ben Gurion weiter in Richtung Norden verlegt worden. Man stelle sich auch auf mögliche Raketenangriffe auf den Grossraum Tel Aviv ein, berichtete der Sender Kan.
Wegen der explosiven Lage wurde am Nachmittag auch die Klagemauer in Jerusalem geräumt. «Soeben wurde in Jerusalem Alarm ausgelöst», teilte die Polizei am Montagabend mit. Hunderte jüdische Gläubige seien deshalb in Sicherheit gebracht worden. Zuvor war bereits der für Montag geplante Marsch tausender Israelis durch die Jerusalemer Altstadt anlässlich des israelischen Feiertags «Jerusalem-Tag» abgesagt worden. «Der Flaggenmarsch ist abgesagt», teilte die veranstaltende Organisation Am Kalavi mit.
Auf dem Tempelberg in Jerusalems Altstadt war es am Montag erneut zu schweren Auseinandersetzungen gekommen. Vor der Al-Aksa-Moschee setzten Polizisten Blendgranaten, Tränengas und Gummigeschosse gegen Steine werfende Palästinenser ein. Palästinensische Rettungskräfte sprachen von mehr als 300 Verletzten. Nach Polizei-Angaben wurden fast zwei Dutzend Beamte verletzt.
Bundesaussenminister Heiko Maas warnte vor einer gefährlichen Zuspitzung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. «Wir können nur alle Seiten auffordern, in dieser wirklich explosiven Lage zu deeskalieren», sagte der SPD-Politiker am Montag nach Beratungen mit EU-Kollegen in Brüssel. Zu begrüssen sei die Entscheidung, dass der Tempelberg im Zugang beschränkt werden solle, um weitere Provokationen zu verhindern.
Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn hatte sich zuvor für eine deutlich stärkere Reaktion der EU ausgesprochen. «Die Angst besteht, dass die Israelis im Begriff sind, (...) Ostjerusalem zu besetzen und die Palästinenser auch aus Ost-Jerusalem zu vertreiben», sagte er. Das Thema «Israel/Palästina» müsse wieder ganz oben auf die Tagesordnung der EU gesetzt werden. Die Europäer hätten «auch eine Verpflichtung», sagte er.
Die Lage im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems ist seit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan angespannt. Viele Palästinenser sind zornig, weil die Polizei Bereiche der Altstadt abgesperrt hatte, um Versammlungen zu verhindern. Zudem drohen einigen palästinensischen Familien im Stadtteil Scheich Dscharrah Wohnungsräumungen durch israelische Behörden.
Militante Palästinenser aus dem Gazastreifen feuerten zudem zuletzt mehrere Raketen auf die israelische Grenzregion und sandten Brandballons. Israel schloss den Erez-Grenzübergang zu dem Palästinensergebiet und die davor liegende Fischereizone. Aus Sorge vor einer Eskalation wollte die Armee weitere Kräfte an den Gazastreifen verlegen.
(sda/dpa/rtr/dru)