Zuerst eine Statistik der Hoffnung. Zug führt die Tabelle mit 11 Punkten Vorsprung auf die ZSC Lions an. Bei gleich vielen Partien. Zug ist also Titelfavorit.
Nein. Die Zuger mahnen an eine geradezu legendäre Mannschaft, die einst die Qualifikation auf eine ganz ähnliche Art und Weise dominiert und mit 11 Punkten Vorsprung gewonnen hat. Obwohl es damals (1993/94) für einen Sieg nur 2 Punkte gab. An den HC Fribourg-Gottéron mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow.
Gottéron ist in den 1990er Jahren selbst während der rauschenden russischen Flugjahre nie Meister geworden. Die russischen Zauberkünstler zerbrachen entweder an der Härte der Berner oder an der taktischen Schlauheit der Klotener. Aber sie konnten nicht anders: Sie hatten zwei der damals besten Stürmer der Welt in ihren Reihen. Da bleib einfach nichts anderes als offensiver Sturm und Drang. Das Scheitern hatte zwei Gründe: fehlende Härte und ein Torhüter mit eisernen Nerven.
Zug heute wie einst Gottéron? Das mag auf den ersten Blick billige Polemik sein. Leonardo Genoni ist ein hochdekorierter, meisterlicher letzter Mann. Von ganz anderem Format als damals Dino Stecher. Und die offensive Feuerkraft der Zuger ist nicht auf ein Zauber-Duo reduziert. Sie ist auf vier Linien verteilt.
Stimmt. Der Hinweis, dass Leonardo Genoni bei der Spektakelniederlage gegen die ZSC Lions mit einer Fangquote von 84,78 Prozent ein statistischer Dino Stecher war, ist nur der Polemik geschuldet. Und die Hockeygötter mögen Trainer Dan Tangnes davor bewahren, in den Playoffs in Versuchung zu kommen, Luca Hollenstein ins Tor zu stellen.
Es geht um etwas anderes: Die Zuger waren in drei Jahren zweimal im Finale gegen einen rauen SC Bern chancenlos. Mental und auch sonst zu weich für den Titel.
Sportchef Reto Kläy hat die richtigen Schlüsse aus diesen Niederlagen gezogen. Erstens hat er mit Leonardo Genoni einen echten Meistergoalie verpflichtet. Vorgänger Tobias Stephan, mindestens so talentiert wie Leonardo Genoni, hatte nur ein Makel: Es ist ihm nicht gelungen, die entscheidenden Finalpartien zu gewinnen. Nicht mit Servette. Nicht mit Zug.
Zweitens hat Reto Kläy die Entwicklung der Mannschaft mit dem richtigen Trainer und den richtigen Transfers vorangetrieben. Zug spielt unter Dan Tangnes das modernste Hockey der Liga. Sozusagen «Tiki-Taka-Hockey». Die Bezeichnung kommt aus dem Fussball und steht für hohen Ballbesitz der angreifenden Mannschaft. Dabei befindet sich die gesamte Mannschaft fortwährend in Bewegung und lässt den Ball durch ihre Reihen zirkulieren.
Das passt zu Zug: Die Zuger zelebrieren ein mitreissendes Offensivspiel. Sie halten den Puck in ihren eigenen Reihen, vermeiden das rustikale «Dump’n‘ Chase» (die Scheibe ins gegnerische Drittel schiessen und dort ausgraben).
Kein anderes Team zelebriert ein so präzises Offensivspiel mit so vielen Abschlüssen aus dem Slot. Zug spielt modernes, totales Hockey. Zug hat diese Saison die ZSC Lions schon dreimal besiegt (6:3, 2:1, 8:2).
Und trotzdem noch nicht Titelfavorit. Ein international erfahrener, hochdekorierter Hockeykenner hat kürzlich gesagt: «Ist dir aufgefallen, dass die Zuger kaum noch Checks machen?» Das stimmt. Und das ist auch logisch: Wer die Scheibe hat, sucht nicht die Kollision mit dem Gegenspieler. Provokativ können wir sagen: Zuger sind zu «weich» um Meister zu werden. Nicht wegen Mutlosigkeit oder Angst vor dem Gegenspieler. Ganz und gar nicht. Sondern weil sie spielerisch zu gut sind. Wie einst Slawa Bykow und Andrej Chomutow.
Aber um Meister zu werden, genügen laufen und passen und kreisen und sausen und brausen nicht. Am Ende einer langen Saison, im Finale, mit mehr als 60 Partien in den Armen und Beinen und Köpfen, setzt sich nur durch, wer auch zu rumpeln versteht. Und sich dafür nicht zu schade und zu talentiert ist.
Für ein Meistermenü fehlt den Zugern nur noch eine Prise Salz: eine Prise Härte. Und zwar Härte, die im richtigen Moment unter die Haut geht. Und noch ein bisschen mehr Wasserverdrängung und «Rumpelhaftigkeit».
Es ist einfacher, Salz und Wasserverdrängung als pures Talent auf dem Transfermarkt einzukaufen. Zumal es Sportchef Reto Kläy bei Bedarf nicht an «Transfer-Pulver» aus der präsidialen Apotheke fehlt. Die Zuger sind auf Meisterkurs.
Aber noch nicht diese Saison. Die ZSC Lions haben dieses Salz. Und noch etwas: das «Geheimwissen» wie man Meister wird. Die meisterliche DNA. Die Zürcher waren zuletzt 2000, 2001, 2008, 2012, 2014 und 2018 Meister. Und 2020 haben sie die Qualifikation vor Zug gewonnen. Zug war 1998 Meister. Zum bisher einzigen Mal.
Und da ist noch etwas: Im Sommer 2020 hatten die Zuger die Chance, einen Stürmer einzukaufen, der in grossen Spielen die Differenz machen kann. Sie hätten das «Pulver» gehabt, um diesen Stürmer zu verpflichten. Aber sie scheuten die Investition. Eine meisterliche Investition?
Die ZSC Lions machten das Rennen um Sven Andrighetto. Vielleicht werden wir im Mai sagen: Dieser Transfer hat die Meisterschaft entschieden.
Sven Andrighetto hat soeben beim 7:6 n.V. in Zug drei Treffer für die ZSC Lions erzielt. Dieser Sieg, nach 0:4 und 1:5 und 2:6 ist im Quadrat mehr wert als die drei Siege der Zuger gegen diesen Gegner in dieser Saison.
Die Zürcher wissen nun: Mag kommen, was da wolle – diese Zuger können wir packen. Selbst wenn sie Leonardo Genoni ins Tor stellen. Die Erinnerungen an diesen Spektakelsieg, an diese sieben Treffer gegen Leonardo Genoni könnten sich als meisterliche Memoiren erweisen.
Die meisterliche Zeit für die Zuger kommt. Aber, wenn die Playoffs gespielt werden können, noch nicht 2021.
Das sind Momentaufnahmen und Betriebsunfälle, mehr nicht. Zug fühlte sich zu siegessicher, der Z hat nie aufgegeben und hatte dann auch das nötige Glück (Fehler Genoni z.B.).
Der HCD hat die Niederlage gegen Fribourg weggesteckt, der ZSC die Klatsche gegen Zug und auch der EVZ kann ein solches Spiel verkraften.
Ob Zug in den Playoffs ähnlich fahrig nach solch einer Führung aufgetreten wäre, bezweifle ich jetzt mal.
«Transfer-Pulver» aus der präsidialen Apotheke gibt es nicht bei Bedarf, dass sollte auch dir langsam klar sein.
Eine Verpflichtung von Andrighetto wäre auch mit solchem «Transfer-Pulver» nicht möglich gewesen. Andrighetto wollte unbedingt zum ZSC (was auch nicht verwunderlich ist, wenn man ein Tattoo vom Grossmünster auf dem Oberschenkel hat).