Wissen
Coronavirus

Forscher weisen hochinfektiöses Coronavirus in Aerosolen nach

Darstellung von an Aerosolen angedockten SARS-CoV-2, Coronavirus, Covid-19, Infektion
Darstellung von an Aerosole angedockten Coronaviren. Bild: Shutterstock

Forscher weisen hochinfektiöses Coronavirus in Aerosolen nach

Eine US-Studie hat zum ersten Mal nachgewiesen, dass Aerosole viable Coronaviren enthalten können.
13.08.2020, 15:07
Mehr «Wissen»

US-Forscher aus Florida haben in Versuchen bestätigt, dass von Corona-Infizierten ausgestossene Aerosole intakte Viruspartikel enthalten können. Damit gelang ihnen zum ersten Mal, an Aerosole angedockte Sars-Cov-2-Lebendviren nachzuweisen. Bisher hatte man jeweils nur das Genom des Erregers belegen können, aber diese genetischen Spuren hätten theoretisch auch von toten, inaktiven Viren stammen können.

Das sei eine Bestätigung dafür, dass Sars-CoV-2 wahrscheinlich auch über die winzigen, lange in der Luft verbleibenden Schwebeteilchen übertragen werden kann. In Räumen eineinhalb oder auch zwei Meter Sicherheitsabstand zu wahren, könne mithin ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln, heisst es in der Studie. Diese ist allerdings noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht und damit noch nicht von unabhängigen Gutachtern geprüft.

Was sind Aerosole?
Aerosole sind sehr kleine Schwebeteilchen. Sie können beim Reden und sogar Atmen entstehen, vor allem aber beim Singen und Schreien. Anders als beim Husten oder Niesen ausgestossene Tröpfchen, die schnell zu Boden sinken, können die unter fünf Mikrometer kleinen und leichteren Partikel noch längere Zeit in der Luft schweben und ansteckend sein. Eine Infektion kann dann auch ohne direkten Kontakt zu einer infizierten Person erfolgen. Es gibt Krankheiten, die nachweislich über Aerosole übertragen werden können, beispielsweise Tuberkulose.

Dass Sars-CoV-2 nicht nur über grössere Tröpfchen, sondern auch über winzige Schwebeteilchen übertragen werden kann, gilt schon länger als gesichert. Unklar ist allerdings, wie gross der Anteil der Aerosole bei den Ansteckungen ist. Generell gilt das Risiko in Innenräumen als wesentlich höher als draussen, wo sich Partikel rascher verflüchtigen.

Die Forscher um John Lednicky von der University of Florida in Gainesville untersuchten nun Proben der Raumluft aus der Umgebung zweier Covid-19-Patienten in einem Klinikzimmer. Sie verwendeten dafür eine spezielle Apparatur, die mit Wasserdampf-Kondensat arbeitet und so eventuelle Viren in der Luft intakt erhält.

Selbst aus Proben, die in fast fünf Metern Abstand zu den Patienten genommen worden waren, seien noch aktive Sars-CoV-2-Partikel isoliert worden, berichten die Forscher. Über genetische Analysen konnten sie bestätigen, dass diese von dem Patienten mit Covid-19-Atemwegssymptomen im Raum stammten – und nicht etwa aus einem anderen Bereich der Klinik eingetragen wurden.

Die Luft im Klinikzimmer wurde pro Stunde sechsmal ausgetauscht. Das Zimmer war zudem mit effizienten Luftfiltern und einer Einrichtung zur UV-Bestrahlung ausgerüstet, die die Virenlast in der Luft massiv reduzieren sollen, bevor sie wieder in den Raum eingeleitet wird. Aus diesem Grund dürfte die Zahl der aktiven Viren pro Liter Raumluft (74) so niedrig ausgefallen sein – dies bedeutet aber zugleich auch, dass die Virenlast in lediglich normal gelüfteten oder sogar geschlossenen Räumen deutlich höher liegen dürfte.

Die Analyse sagt nichts darüber aus, ob die Virenlast in der Luft ausreicht, um weitere Menschen anzustecken. Die an der Studie nicht beteiligte Aerosol-Expertin Linsey Marr hält die deren Resultate jedenfalls für einen eindeutigen Beweis, dass Aerosole ansteckend sind, wie sie auf Twitter mitteilte.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt Ansteckungsgefahr über die Luft trotz der neuen Erkenntnisse nach wie vor als gering ein. Sie hält die Infektion über Tröpfchen – die grösser sind und meist nur etwa anderthalb Meter weit kommen, bevor sie zu Boden sinken – für den Hauptübertragungsweg. Superspreader-Ereignisse etwa bei Chorproben weisen allerdings schon seit längerem darauf hin, dass Viruspartikel in Aerosolen die Infektion vieler Menschen im Umkreis zur Folge haben können.

(dhr/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So kam das Coronavirus in die Schweiz – eine Chronologie
1 / 59
Das Coronavirus in der Schweiz – eine Chronologie
31. Dezember 2019: Erste Meldungen über eine mysteriöse Lungenkrankheit, die in der zentralchinesischen Metropole Wuhan ausgebrochen ist, werden publiziert. 27 Erkrankte sind identifiziert.
quelle: keystone
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Corona-Masken-Hacks im Test
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
41 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Füürtüfäli
13.08.2020 17:05registriert März 2019
Wie überraschend...
573
Melden
Zum Kommentar
avatar
champedissle
13.08.2020 16:34registriert März 2020
Einmal mehr zeigt sich wie wichtig es ist, in geschlossenen Räumen gut zu lüften, bzw. Frischluftzufuhr zu haben. Gleichzeitig wird das Tragen von Masken als sinnvoll gezeigt, sobald sich mehrere Leute im gleichen Raum aufhalten.
5317
Melden
Zum Kommentar
avatar
Peter Vogel
13.08.2020 15:39registriert Juni 2020
Das heisst im Umkehrschluss wohl auch, dass Papier- und Stoffmasken weitgehend nutzlos sind. Die Viren fliegen einfach zwischen den Fasern hindurch. Nur FFP2 Masken schützen wirksam.
4316
Melden
Zum Kommentar
41
Judith Butler ist queer, jüdisch und Feministin – und doch verklärt sie die Hamas
Sie gilt als linksintellektuelle Ikone und hat die Gender-Theorie revolutioniert. Doch seit Judith Butler das Massaker der Hamas vom 7. Oktober als Akt des «bewaffneten Widerstands» bezeichnet hat, steht sie heftig in der Kritik. Andreas Kilcher, international gefragter Spezialist für jüdische Geschichte, analysiert Butlers widersprüchliches Denken.

Würde die Hamas einen Steckbrief ihrer meistgehassten Person entwerfen, käme wohl eine queere Feministin und Jüdin heraus. Vor allem eine Person müsste sich darauf erkennen: die 68-jährige amerikanische Star-Denkerin Judith Butler.

Zur Story