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Diese Bürgerlichen ergreifen das Referendum gegen das Mediengesetz

Die Frühzustellung der Zeitungen wird neu subventioniert.
Die Frühzustellung der Zeitungen wird neu subventioniert.bild: keystone

«Nein zu Staatsmedien»: Diese Bürgerlichen ergreifen das Referendum gegen das Mediengesetz

Noch ist das neue Mediengesetz nicht durch die Schlussabstimmung. Doch schon jetzt ist klar: Es kommt zu einem Referendum. Ein neues Komitee aus Unternehmern und Verlegern bekämpft das Gesetz. Auch die «Freunde der Verfassung» sind aktiv.
13.06.2021, 05:4903.12.2021, 16:12
Othmar von Matt / schweiz am wochenende
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Das Parlament verabschiedet das Mediengesetz erst am nächsten Freitag. Doch die Unterschriftenbögen für das Referendum liegen zum Versand bereit. «Meinungsfreiheit verkaufen?», so die Frage darauf. Die Antwort: «Nein zu Staatsmedien. Nein zu Steuermilliarden für Medienmillionäre.»

In den letzten Monaten hat sich hinter den Kulissen still und leise ein schlagkräftiges Referendumskomitee gegen das Mediengesetz formiert. Es besteht aus zwanzig Unternehmern und Verlegern. Sie sind fast alle parteiungebunden, gehören aber dem rechtsbürgerlichen Milieu an – und verfügen über beträchtliche finanzielle Potenz.

Zu den Mitgliedern gehören der parteilose Ständerat Thomas Minder (Abzocker-Initiative), alt Nationalrat Toni Brunner (SVP), Unternehmer Giorgio Behr und Verleger Markus Somm. Auch Unternehmer Karl Müller ist Mitglied, Namensgeber des Kybunparks des FC St.Gallen. Genauso wie Verleger Konrad Hummler, Olivier Kessler, Direktor des Liberalen Instituts, und Henrique Schneider, stellvertretender Direktor des Gewerbeverbands.

Das Referendumskomitee hat sich aber auch die bürgerliche Jugend ins Boot geholt. Viele Jungpolitikerinnen und Jungpolitiker aus Jungfreisinn und Junger SVP gehören ihm an.

Ein Treffen in Rapperswil mit Folgen

Lanciert wurde es vor einem Jahr von Kommunikationsberater Philipp Gut und Verleger Bruno Hug. Gut ist ehemaliger Inlandchef der «Weltwoche» und heute Inhaber der Gut Communications GmbH.

Hug ist ein schillernder Verleger aus der Ostschweiz. Lange verlegte er die Gratiszeitung «Obersee Nachrichten» und war Präsident des Eishockeyklubs Rapperswil-Jona Lakers. Heute baut er einen Verbund von lokalen Onlineportalen auf. «Wir trafen uns vor einem Jahr in Rapperswil und diskutierten über das Mediengesetz», erzählt Gut. «Und waren uns schnell einig: Gegen dieses schädliche Gesetz müssen wir etwas tun.»

40 Millionen Franken für die Frühzustellung

Das Gesetz regelt ein Paket von Fördermassnahmen für die Medien. Heute betragen die indirekten Subventionen der Printausgaben von Tages- und Wochenzeitungen 30 Millionen Franken pro Jahr. Künftig soll der Betrag auf 50 Millionen aufgestockt werden. Zusätzlich erhalten die Medienhäuser 40 Millionen für die Frühzustellung. Verbands- und Mitgliederpresse bekommt 30 Millionen.

Aber auch die Onlinemedien sollen in Zukunft von Staatsgeldern profitieren – und zwar direkt. Für sie sind maximal 30 Millionen Franken vorgesehen. Unterstützt werden nur jene Plattformen und Medien, deren Leser Abo-Beiträge oder Spenden für die Inhalte bezahlen.

«Das Ende der freien und unabhängigen Medien»

Die bereits existierenden und neu geplanten Subventionen sind dem Referendumskomitee ein Dorn im Auge. «Total kosten die privaten Medien die Steuerzahler jedes Jahr rund 400 Millionen Franken», sagt Gut. «Zusammen mit den SRG-Gebühren macht das jährlich unverschämte 1,7 Milliarden.» Diese Staatssubventionen bedeuteten «das Ende der freien und unabhängigen Medien in der Schweiz». Der Volksmund wisse: «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.» Gekaufte Medien seien nicht mehr glaubwürdig.

Gut und Hug holten sich als Präsidenten des Komitees den ehemaligen FDP-Nationalrat und Medienspezialisten Peter Weigelt an Bord. Gut selber führt die Geschäftsleitung.

Kommen bald hochkarätige aktive Politiker dazu?

Vieles deutet darauf hin, dass das Komitee bald auch Unterstützung von hochkarätigen aktiven Politikern erhält. Weigelt, Hug und Gut führten in der Session Gespräche mit National- und Ständeräten. Er sei zwar «im Moment» nicht Teil des Komitees, betont etwa FDP-Ständerat Ruedi Noser. «Sollte es aber zu einer Volksabstimmung kommen, werde ich das Nein unterstützen.»

Ähnlich äussert sich Mitte-Ständerat Benedikt Würth: «Ich werde das Medienpaket ablehnen und begrüsse ein Referendum, sodass sich das Volk in dieser wichtigen Frage äussern kann.» Auch SVP-Nationalrat Gregor Rutz, der das Paket ablehnt, sagt: «Sobald die Schlussabstimmung durch ist, werden wir das unter den Parlamentariern überparteilich sicher noch einmal aufnehmen.»

Das Gegenprojekt zu WeCollect als Sammelhilfe

250'000 Unterschriften hatte Leroy Bächtold für die Petition «Lockdown stop» zustande gebracht. Jetzt baut der Jungfreisinnige mit einem «Team Freiheit» eine bürgerliche Alternative auf zum linken Onl ...
250'000 Unterschriften hatte Leroy Bächtold für die Petition «Lockdown stop» zustande gebracht. Jetzt baut der Jungfreisinnige mit einem «Team Freiheit» eine bürgerliche Alternative auf zum linken Online-Sammeltool WeCollect.bild: keystone

Substanzielle Unterstützung erhält das Referendumskomitee aber vor allem vom neuen Aktionskomitee «Team Freiheit» um den Zürcher Jungfreisinnigen Leroy Bächtold. Er brachte die Petition «Lockdown stop!» mit über 250'000 Unterschriften zustande. Jetzt arbeitet er an einer bürgerlichen Plattform für Online-Kampagnen - als Gegenprojekt zur linken Sammelplattform WeCollect.

«Team Freiheit» hilft dem neuen Komitee. «Das Referendum gegen das Mediengesetz ist unser erstes politisches Projekt», sagt Bächtold. Er zählt dabei auf die 250'000 Unterstützer der Petition. «Die Jungen orientierten sich heute global, nicht nur über SRF und über Abo-Modelle der Verlage», sagt er auf die Frage, weshalb sie das Referendum unterstützen. «Sie möchten je nach Bedarf einzelne Artikel kaufen können.»

Auch die «Freunde der Verfassung» ergreifen das Referendum

Am 12. Januar reichten die Freunde der Verfassung 86'000 Unterschriften ein für das Referendum gegen das Covid-Gesetz - und zwei Tage später 55'000 Unterschriften gegen das Terror-Gesetz (Bild).
Am 12. Januar reichten die Freunde der Verfassung 86'000 Unterschriften ein für das Referendum gegen das Covid-Gesetz - und zwei Tage später 55'000 Unterschriften gegen das Terror-Gesetz (Bild).bild: othmar von matt

Auch die «Freunde der Verfassung» ergreifen das Referendum. Das bestätigt Kampagnenleiter Sandro Meier. «Wir sind gegen Mediensubventionen, weil damit der unabhängige Journalismus gefährdet wird», sagt er. «Zudem ist es sehr störend, wenn grosse Medienverlage Dividenden auszahlen und gleichzeitig von Subventionen profitieren.»

Die Bewegung ergreife das Referendum als «eigenständige Kraft», sagt Meier. «Wir haben inzwischen 10'200 Mitglieder und sind von der Grösse her vergleichbar mit der grünen Partei Schweiz.»

Damit rollt eine Politlawine auf die Medienkonzerne zu.

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91 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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fant
13.06.2021 07:40registriert Oktober 2015
Ich kenne mich da jetzt nicht im Detail aus. Aber es schon extrem schräg, das Argument 'Wes Brot ich ess, des Lied ich sing' als Argument gegen das Gesetz aufzufahren.

Aus Sicht der Initianten ist es also besser, wenn einzelne reiche Leute (die Verleger) bestimmen, was geschrieben wird als die demokratisch legitimierte Politik (ein Mensch, eine Stimme).

Eigenartiges Demokratie-Verständnis. Orwell und Trump lassen grüssen.
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redhösi
13.06.2021 06:47registriert Dezember 2019
"«Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.» Gekaufte Medien seien nicht mehr glaubwürdig."
Nun gut, das stimmt bei werbe- und mäzenfinanzierten Medien auch!
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Hitsch
13.06.2021 07:24registriert April 2020
Das hatten wir doch schon ?🤔? Beim Referendum gehts es den Herren ja nur um eine verkappte Abschaffung vom SRF, damit sie die Schweizerbevölkerung mit einer "Fox-News Light" Medienplattformen indoktrinieren können. Nur ein Referendum kann man nicht gegen ein bestehendes Gesetz ergreifen, aber man kann wieder Monatelang gegen Hinz und Kunz hetzen und sich danach beklagen, dass die Sitten zu rau geworden sind

Übrigens: Unser rechtsbürgerlichen Milieu beklagen sich doch regelmässig, wenn wieder eine ähnliches Thema zur Abstimmung, kommen sollte. Aber bei ihnen ist es ja etwas GANZ andres .🤮.
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