Schweiz
Abstimmungen 2021

Burkaverbot und E-ID: Doppelte Klatsche für Karin Keller-Sutter

Bundesraetin Karin Keller-Sutter, rechts, kommt mit ihrem Kommunikationschef Christoph Nufer zu einer Medienkonferenz des Bundesrates zu den Eidgenoessischen Abstimmungen, am Sonntag, 7. Maerz 2021, i ...
Karin Keller-Sutter und ihr Kommunikationschef Christoph Nufer auf dem Weg zur Medienkonferenz am Sonntag.Bild: keystone

Die doppelte Klatsche beschädigt Keller-Sutters Winner-Image

Justizministerin Karin Keller-Sutter ist die grosse Verliererin dieses Abstimmungssonntags. Und beim nächsten Termin in drei Monaten droht bereits eine weitere Niederlage.
08.03.2021, 05:5308.03.2021, 16:27
Mehr «Schweiz»

Für Karin Keller-Sutter war es ein schwieriger Auftritt. Erst musste sie lange warten bis zur bundesrätlichen Medienkonferenz, denn die Kantone Waadt und Zürich hatten sich beim Auszählen viel Zeit gelassen. Und dann musste sie erklären, warum das Stimmvolk ihr beim Verhüllungsverbot und beim E-ID-Gesetz die Gefolgschaft verweigert hatte.

Es war der bislang grösste Misserfolg für Keller-Sutter, die ihr Amt als Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) vor etwas mehr als zwei Jahren mit viel Vorschusslorbeeren angetreten hatte. Zumindest im ersten Jahr wurde die 57-Jährige ihnen vollauf gerecht. Die St. Galler Freisinnige wurde als neue starke Frau im Bundesrat gefeiert.

Dann stellte Corona den Politikbetrieb auf den Kopf. KKS, wie sie von Freund und Feind genannt wird, stand weitgehend im Schatten. Auch bei den Volksabstimmungen geriet ihr Motor nach anfänglichen Erfolgen ins Stottern. Im letzten November konnte sie die Konzernverantwortungsinitiative nur dank dem Ständemehr bodigen.

Die jetzige Doppel-Niederlage ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte des Bundesstaats. Er beendet eine relativ lange «Ruhephase», in der das Stimmvolk im Sinne des Bundesrats abgestimmt hatte. Mit einem Corona-bedingten Misstrauen hat dies wenig zu tun. Es gibt plausible Gründe, warum Keller-Sutter zweimal gescheitert ist.

Verhüllungsverbot

Walter Wobmann, Nationalrat SVP-SO und Initiator der Initiative "Ja zum Verhuellungsverbot", gibt ein Interview im Medienzentrum des Bundeshauses, am Sonntag, 7. Maerz 2021, in Bern. (KEYSTO ...
SVP-Nationalrat Walter Wobmann erklärt die Gründe für das Ja.Bild: keystone

Die Volksinitiative des Egerkinger Komitees hatte stets eine grosse Erfolgschance. Nicht nur aus diesem Grund war das Engagement der Bundesrätin für ein Nein überschaubar. Als Regierungsrätin in ihrem Heimatkanton war Keller-Sutter eine Hardlinerin in der Ausländer- und Sicherheitspolitik, und St. Gallen hatte als zweiter Kanton nach dem Tessin ein solches Verbot eingeführt. Keller-Sutters Bedauern über das Ja des Stimmvolks dürfte sich deshalb in Grenzen halten.

E-ID

Schmerzhaft ist für die Justizministerin hingegen die Niederlage beim E-ID-Gesetz, vor allem ihre Deutlichkeit. Diese Vorlage war ihr ein echtes Anliegen. Allerdings wirkte sie meistens ziemlich allein. Die Kampagne der Befürworter war blutleer und vor allem fast unsichtbar, während die Gegner mit grossem Engagement für das Nein kämpften.

Für die Wirtschaftsverbände, die sich offiziell für die digitale Identität aussprachen, hatte die Vorlage offensichtlich keine Priorität. Nun muss Keller-Sutters Departement eine neue Gesetzesvorlage ausarbeiten. Einfacher wird es nicht, aber die EJPD-Chefin hat erkannt, dass der Bundesrat bei der Digitalisierung aus dem «stillen Kämmerlein» herauskommen und die Thematik breit diskutieren muss.

Anti-Terror-Gesetz

Ein Ende von Karin Keller-Sutters Abstimmungsmarathon ist vorläufig nicht in Sicht. Am 13. Juni folgt die nächste hoch umstrittene Vorlage: das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus, kurz PMT. Die Opposition macht schon heute mobil, und sie kommt aus den unterschiedlichsten Richtungen.

Dabei ist die Ausgangslage für die Justizministerin gut. Das Stimmvolk hat bei Vorlagen, in denen es um Sicherheit und Überwachung ging, in den letzten Jahren stets bundestreu abgestimmt. Das Nachrichtendienstgesetz (NDG) wurde 2016 ebenso mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen wie das Gesetz über die Sozialdetektive zwei Jahre später.

Dennoch wird die Abstimmung kein Spaziergang. Das PMT wird nicht nur durch die «üblichen Verdächtigen» aus dem linksgrünen Lager und von Netzaktivisten bekämpft, sondern auch von Libertären und vom corona- und staatskritischen Verein Freunde der Verfassung. Er hatte das Referendum vor dem Scheitern gerettet.

Es ist eine spezielle Melange, vor allem weil am 13. Juni auch über das Covid-19-Gesetz abgestimmt wird, ebenfalls aufgrund eines Referendums der Freunde der Verfassung. Ein Nein wäre für den Bundesrat eine böse Überraschung, und für das Anti-Terror-Gesetz gilt dies erst recht. Aber nach diesem Sonntag muss Karin Keller-Sutter gewarnt sein.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Hidschab & Co. – Verhüllungen vom Kopftuch bis zur Burka
1 / 10
Hidschab & Co. – Verhüllungen vom Kopftuch bis zur Burka
Hidschab: Wird vor allem als Bezeichnung für ein Kopftuch verwendet, das Haar und Ohren vollständig bedeckt, das Gesicht indes frei lässt. Meist werden zusätzlich die Halsregion, der Ausschnitt und eventuell die Schultern bedeckt.
quelle: shutterstock
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Keller-Sutter legte einen Start-Ziel-Sieg hin
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
51 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Beta Stadler
08.03.2021 07:18registriert Mai 2020
Die KVI hat ihre Glaubwürdigkeit gekostet und das Rächt sich jetzt. Nach so einer Abstimmung den Leuten erzählen wollen, die E-ID Daten würden nicht kommerziell genutzt, ist dann halt schwierig...
20431
Melden
Zum Kommentar
avatar
Nunja
08.03.2021 08:15registriert November 2014
Es wäre die ureigene Aufgabe der FDP gewesen, den liberalen Rechtsstaat bei der Verhüllungsinitiative zu verteidigen. Der Opportunismus von KKS kam hier voll zu tragen. Prinzipien beweisen sich dort wo es unangenehm ist. Auch und gerade bei Menschenrechten gälte für die Liberalen „mehr Freiheit weniger Staat“.
Sie hat diese Abstimmung nicht verloren, da sie ihr egal war.
10916
Melden
Zum Kommentar
avatar
Allkreis
08.03.2021 08:25registriert Januar 2020
Mit der Aussage, der Bund sei nicht fähig eine konkurrenzfähige E-ID herauszugeben, hat sie sich jedenfalls selbst und den ganzen BR komplett blossgestellt. Offensichtlich haben sie ihre Führungsaufgabe derart vernachlässigt, dass der Bund jegliche digitale Kompetenz vermissen lässt.
462
Melden
Zum Kommentar
51
Das steckt hinter den merkwürdigen Tonband-Anrufen, die Tausende Schweizer erhalten
Seit Wochen rollt eine neue Welle betrügerischer «Tonband»-Anrufe im Namen angeblicher Polizeibehörden über die Schweiz: Wie die Kriminellen vorgehen, was sie wollen und wie man sich davor schützt.

Schweizerinnen und Schweizer werden seit Monaten massenhaft mit Anrufen von Fake-Polizisten belästigt. Dabei ruft nicht mehr ein Mensch an, sondern eine «Maschine». Das erlaubt den Kriminellen, ihr betrügerisches Geschäftsmodell zu intensivieren. In den letzten Wochen hat die jüngste Angriffswelle alle Rekorde gebrochen, meldet das Bundesamt für Cybersicherheit.

Zur Story