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Corona Schweiz: Für wen die Öffnungen des Bundesrats wirklich mutig sind

Offen gesagt

«Lieber Herr Berset, mutig sind vor allem die Impfskeptiker, aber …»

Der Bundesrat lockert die Corona-Massnahmen auf den Sommer hin noch weitgehender als in der Vernehmlassung vorgeschlagen. Das erinnert fatal an vergangenen Sommer. Mit einem entscheidenden Unterschied.
23.06.2021, 19:5923.06.2021, 23:33
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Lieber Herr Berset

Nun machen Sie mit dem Bundesrat die Schleusen auf!

Grossveranstaltungen ohne Kapazitätsbeschränkungen, alle ohne Maske zurück an den Arbeitsplatz, Clubs und Diskotheken auf, Restaurants mit vollen Tischen, alle zurück auf die Rutschen im Alpamare und im Säntispark.

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Das erinnert ein wenig an vergangenen Sommer, als Sie unter dem Eindruck einer harmlosen epidemiologischen Lage und unter Druck von Sport- und Gastrobranche auch wieder Grossanlässe mit Zuschauern zuliessen.

Diese Botschaft hat in der Bevölkerung eine Anything-Goes-Stimmung und Sorglosigkeit geschaffen, für die wir bald einen hohen Preis zahlen sollten.

Den gleichen Effekt wird auch Ihre heutige Botschaft haben: «Pandemie isch vrbii». Aber im Unterschied zum letzten Sommer stimmt das auch. Jedenfalls für alle, die über ein länger gültiges Covid-Zertifikat verfügen, sprich die doppelt Geimpften. Trotzdem bezeichnen Sie den Öffnungsschritt als «mutig».

Das ist er auch. Vor allem für die Ungeimpften. Sie steuern auf eine ähnliche Situation zu wie vergangenen Herbst. Sie sind nicht nur ungeschützt, sondern auch mit ansteckenderen Virusvarianten konfrontiert, die wieder mehr Kontakt-Anlässe und Wirtskörper haben, um sich zu verbreiten. Und das sind bei einer Impfquote von rund 50 Prozent der Erwachsenen immer noch eine ganze Menge.

Die anderen 50 Prozent können sich sicher nicht beschweren. Sie haben seit Ankündigung des 3-Phasen-Öffnungsplans gewusst, dass lange vor einer allfälligen Herdenimmunität geöffnet wird und sie dann statt durch die Spritze halt früher oder später durch eine Infektion geimpft werden. Mit allen Risiken, die das mit sich bringt.

Für all die Kinder, Schwangeren und Allergiker, die sich unverschuldet nicht impfen lassen können, kreieren Sie mit solch frühen Öffnungen hingegen bewusst eine sehr unangenehme Situation. Denen bleiben nur das erhöhte Risiko oder die Selbst-Isolation.

Das ist unfair und ein ziemlich verpflichtender Ansporn, die Impfquote so weit nach oben zu drücken wie nur irgendwie möglich. Die Vorteile, die der Besitz eines Covid-Zertifikats ab dem 26. Juni mit sich bringt, werden viel bewirken.

Aber sobald dieses Potenzial ausgeschöpft ist und die Quote wieder stagniert, müssen Sie nachlegen. Ob mit Prämien, Lotterien oder teuren Kampagnen, spielt keine Rolle.

Der Zweck, die Schutzlosen zu schützen, heiligt fast jedes Mittel.

Hochachtungsvoll

Ihr Maurice Thiriet

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129 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MCN1988
23.06.2021 20:20registriert Mai 2020
"Für all die Kinder, Schwangeren und Allergiker, die sich unverschuldet nicht impfen lassen können, kreieren Sie mit solch frühen Öffnungen hingegen bewusst eine sehr unangenehme Situation. Denen bleiben nur das erhöhte Risiko oder die Selbst-Isolation."

Nur weil geöffnet wird und man vieles wieder tun kann, heisst es noch lange nicht, dass man es auch muss. Es steht jedem frei, weiterhin Maske zu tragen und auf Veranstaltungen zu verzichten.
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Tamo.
23.06.2021 21:15registriert Juni 2017
Was heisst hier unfair? Es gibt immerhin die Möglichkeit sich kostenlos testen zu lassen um mit kurzfristig gültigem Zertifikat eine Veranstaltung zu besuchen. Weshalb sollen dann Geimpfte und Genesene Einschränkungen ihrer Freiheit hinnehmen? Solidarität kann auch überstrapaziert werden.
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Caerulea
23.06.2021 21:40registriert Mai 2018
Ich sehe eigendlich keinen Grund mich zu impfen da mein soziales Umfeld immer gleich bleibt.
Trotzdem habe ich es getan da ich es als Bprgerpflicht sehe.
Würde mir wünschen mehr Leute finden dieses altmodische Wort wichtig.
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