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Das Super-League-Fiasko – oder wenn die Gier die Sinne vernebelt

Chelsea fans protest against Chelsea's decision to be included amongst the clubs attempting to form a new European Super League before the English Premier League soccer match between Chelsea and  ...
Der Protest der Fans hat die Super-League-Träume der europäischen Eliteklubs im Keim erstickt.Bild: keystone
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Das Super-League-Fiasko – oder wenn die Gier die Sinne vernebelt

21.04.2021, 11:3621.04.2021, 13:35
Philipp Reich
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Die neue Super League ist am Ende, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Nicht einmal 48 Stunden nach der Bekanntgabe, dass sich zwölf europäische Fussball-Klubs in einer exklusiven Liga zusammen tun wollen, haben alle sechs englischen Gründungsmitglieder kalte Füsse bekommen und sich bereits wieder vom Projekt distanziert. Später folgten Atlético Madrid, Inter Mailand und die AC Milan ihrem Beispiel.

Zwar ist die Super League noch nicht ganz gestorben, doch nach diesem Super-GAU scheint die angestrebte Umgestaltung, wie Real-Präsident Florentino Perez sie nach dem Massen-Exodus verkündet hatte, nicht mehr als das Festhalten eines Strohhalms.

epa09144571 (FILE) - Real Madrid's president Florentino Perez arrives to the 'Ballon d'Or' (Golden ball) award ceremony for the best European footballers of the year, in Paris, Fra ...
Real-Präsident Florentino Perez ist der Initiator der neuen Super League.Bild: keystone

Aber mal ehrlich: Was haben sich die Bosse der zwölf grössten Fussballvereine der Welt eigentlich bei ihrem Super-League-Projekt gedacht? Haben sie wirklich erwartet, dass die Fussball-Welt einen solchen Alleingang ohne Gegenwehr akzeptieren würde? Dass eine Liga, für die es keinerlei sportliche Qualifikation geben sollte, funktionieren kann?

Dass die Fans den Austritt aus den traditionsreichen, nationalen Ligen einfach so hinnehmen würden? Dass die UEFA tatenlos zusehen wird, wie ihr die Cashcow Champions League vor der Nase weggeschnappt wird? Dass die Spieler lieber um den traditionslosen «JP Morgan Cup» statt um den altehrwürdigen Henkelpott spielen würden?

Vielleicht haben Perez und seine elf Kumpanen die heftigen Reaktionen auf ihre Eliteliga tatsächlich unterschätzt. Das zeigt vor allem eins: Wie weit sich die geldgierigen und machtbesessenen Klubbosse von der Basis ihres Sports wegbewegt haben. Wie sehr es ihnen ums Geschäft statt um den Sport geht.

Der Gipfel der Lächerlichkeit ist, dass sich die abtrünnigen Klubbosse als Retter des Fussballs aufspielen wollen. Der stete Drang nach Wachstum und noch mehr Geld sowie die schwelende Angst, die jungen Fans in den USA und Asien an Netflix, E-Sports und Co. zu verlieren, scheint ihnen die Sinne komplett vernebelt zu haben.

Dieses Bild aus dem Jahr 2017 ging in den letzten Tagen wieder um die Welt.
Dieses Bild aus dem Jahr 2017 ging in den letzten Tagen wieder um die Welt.bild: twitter/brfootball

Der grosse Gewinner nach dem Super-League-Fiasko sind aber nicht die Fans, sondern die UEFA, die sich nun ihrerseits als Retter des Fussballs aufspielt. Doch das ist der europäische Fussballverband – zumindest aus Fansicht – mitnichten. Inmitten des grossen Aufruhrs um die neue Superliga konnte die UEFA ihre ebenfalls stark umstrittene Champions-League-Reform fast ohne Gegenwehr durchboxen.

Auch in der neuen Königsklasse geht es vor allem ums Geld: Statt wie bislang 32 Teams sind 36 Mannschaften dabei, die nicht mehr sechs, sondern zehn Gruppenspiele (in einem fragwürdigen Modus) bestreiten. Die UEFA-Rechnung ist einfach: mehr Spiele = mehr TV-Einnahmen.

Ausserdem wird auch die Champions League elitärer: Die Top-5-Ligen teilen zwar wie bis anhin 19 Startplätze unter sich auf. Zwei weitere gehen aber an Teams, die sich über die Leistungen in der Vorsaison nicht qualifizieren konnten, im neuen 10-Jahres-Ranking der UEFA jedoch gut dastehen. Das wird natürlich den Klubs aus den Top-Ligen zugutekommen.

Es scheint im Fussball derzeit wie einst bei Herakles und seinem Kampf gegen die Hydra zu sein. Kaum hat man dem Monster einen Kopf abgeschlagen, wachsen zwei neue nach.

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Europas Rekordmeister im Fussball
Spanien: Real Madrid – 35 Titel, zuletzt 2021/22. Erster Verfolger: FC Barcelona – 26 Titel.
quelle: keystone / rodrigo jimenez
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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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T. Eddy
21.04.2021 11:48registriert Oktober 2015
UEFA (und FIFA) als Retter des Fussballs.

Welch Ironie.
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maylander
21.04.2021 12:05registriert September 2018
Ich hätte da noch eine supi Idee.

Eine Liga an der nur die Meister teilnehmen. Keine Zweiten und Dritten sondern wirklich nur Meister. Dafür dann die Meister von jedem UEFA Verband.

Als Preis gibt es einen Kübel geschenkt. Dazu Ruhm und Ehre.

Die Teilnehmenden Klubs bekommen die Reisen im eigenen Charterflug plus Übernachtung im 5 Sterne Hotel zur Verfügung gestellt. Weitere finanzielle Entschädigung gibt es nicht.
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Snowy
21.04.2021 12:06registriert April 2016
Es beschleicht mich das ungute Gefühl, dass Agnelli und Co ganz genau wussten, dass die Antwort katastrophal sein würde. Mit dem Projekt aber trotzdem so dilettantisch live gingen weil:

- Man wollte schauen, wie weit man zukünftig gehen kann.
- Man wollte der UEFA / Fifa drohen (die Fans sind ihnen ohnehin egal).
- Man wollte sicherstellen, dass die Amerikanisierung des Fussballs via UEFA/FIFA weiter vorangetrieben werden kann.

Nun braucht es Reformen bei der UEFA, sonst war dies nur eine (vermeintlich) gewonnene Schlacht. Der Krieg ist noch lange nicht gewonnenen - im Gegenteil.
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